Vom Stasi-Knast Erfurt ins hessische Hanau

So war eine Fahrt des Maintaler Brüder-Schönfeld-Forum e.V. zum Stasi-Archiv in Erfurt zunächst an der Corona-Pandemie gescheitert, da alle Führungen ausgesetzt waren. Seit kurzem sind kleine Gruppen wieder zugelassen, was den Maintaler Verein veranlasste, den Besuch in diesen Tagen nachzuholen.

Im Archiv der Stasi-Unterlagenbehörde des früheren DDR-Bezirks Erfurt lagern etwa 4,5 Kilometer Akten. Eine davon ist exemplarisch und deswegen öffentlich zugänglich: Es ist die von Joachim Heise aus dem thüringischen Nordhausen, der 1980 einen Ausreiseantrag in die BRD stellte, im Verlauf der Sache 1883 verhaftet und schließlich zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt wurde. Aus der Haft, die er zunächst im Untersuchungsgefängnis Erfurt, dann im Zuchthaus Cottbus verbüßte, kaufte ihn die Bonner Regierung 1884 frei. Danach lebte Heise mehrere Jahre in Hanau, bevor er 2002 in seine thüringische Heimat zurückkehrte.

Durch eine Protestaktion erregten Joachim Heise und weitere Mitstreiter dann nochmals 2005 öffentliche Aufmerksamkeit, als die thüringische Landesregierung erwog, den ehemaligen Stasi-Knast umzubauen und das Grundstück anders zu nutzen. Im Ergebnis ist das Gebäude an der Andreasstraße heute saniert und in Teilen als Gedenk- und Bildungsstätte erhalten.

Die Stasi-Akten, soweit sie vor der Vernichtung bewahrt werden konnten, lagern heute auf dem Petersberg in einem oberhalb des früheren Gefängnisses liegenden Gebäude. Nächstes Jahr, wenn die Bundesgartenschau in der thüringischen Landeshauptstadt eröffnet ist, gehört dieses Areal zu den Hauptattraktionen. Allerdings ist zu befürchten, dass die weitaus meisten Besucherinnen und Besucher wenig Notiz von den Hinterlassenschaften der jüngeren deutschen Vergangenheit nehmen und sich eher den Blumenrabatten zuwenden.