Eine hanseatische Brieffreundschaft schafft Nähe trotz Distanz

Ronneburg
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Es ist eine Geschichte, die trotz der besonders für die Bewohner*innen von Pflegeeinrichtungen schwierigen Situation, fröhlich stimmt und Hoffnung macht.



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Der Alltag in den Pflegeeinrichtungen hat sich durch die aktuell geltenden Schutzmaßnahmen sehr gewandelt. Besuche können nur eingeschränkt stattfinden und auch viele der Gruppenaktivitäten und Festlichkeiten, die sonst ein fester Bestandteil im Leben der Bewohner*innen sind, finden entweder gar nicht oder nur eingeschränkt und in kleinen Gruppen statt. Diese Maßnahmen dienen zwar dem Schutz der Bewohner*innen, führen gleichzeitig jedoch zu einer Verringerung des sozialen Austausches, was vielen Bewohner*innen zu schaffen macht. Doch auch in dieser Zeit, ist es möglich, dass neue Freundschaften entstehen und Menschen, die räumliche Distanz und Generationsunterschiede überwinden und zueinanderfinden.

In der Senioren-Dependance in Ronneburg im Main-Kinzig-Kreis, ist aus einer Weihnachtsaktion eine Brieffreundschaft entstanden, bei der sich zwei Frauen unterschiedlichen Alters, aber gleicher Herkunft, seither regelmäßig schreiben. Kennengelernt haben sich die in Hessen lebende und aktuell älteste Bewohnerin der Ronneburger Pflegeeinrichtung, Margarethe (97) und die stellvertretende Leiterin einer Musicalshow, Susanne (41) aus Hamburg - beide Namen von der Redaktion geändert - durch die Aktion „Post mit Herz – Karten schreiben gegen die Einsamkeit“, die in Hamburg erdacht wurde. Und so fing alles an: Vor Weihnachten ging in der Seniorendependance ein Briefumschlag mit einer Karte aus Hamburg ein. Was lag näher, als ihn der gebürtigen Hanseatin Margarethe auszuhändigen. Da die Sehkraft der Empfängerin sehr stark eingeschränkt ist, bat sie ihren sozialen Betreuer, ihr die Karte vorzulesen.

Der Inhalt der Karte zauberte ihr sogleich ein Lächeln ins Gesicht. Darauf stand: „Liebe/r Unbekannte/r, auch wenn wir uns in diesem Leben sicher noch nicht begegnet sind, möchte ich dir für die Weihnachtstage ganz viel Freude wünschen. Es ist schön, dass du auf dieser Welt bist und ich denke an dich an den Festtagen! Für das neue Jahr wünsche ich dir ganz viel Wärme und Sonne im Herzen! Alles Liebe Susanne.“ Die herzlichen und warmen Worte und die Tatsache, dass die Absenderin aus Hamburg stammt, berührten Margarethe zutiefst. „Ihr möchte ich antworten“, sagte sie spontan und diktierte noch in der Einzelbetreuung eine Antwort, weil sie wegen der Sehschwäche des Schreibens nicht mehr fähig ist. Ihr sozialer Betreuer übernahm auch den Versand des Antwortschreibens. Dies war die Geburtsstunde einer Brieffreundschaft über die in Coronazeiten verordnete Distanz und das Alter der Schreibenden hinweg.

Über die wenige Wochen später eintreffende Antwort, war sie überglücklich und so wechseln sich seither die Briefe zwischen der Hansestadt und dem Ronneburger Hügelland ab. In den Briefen offenbaren die Verfasserinnen Teile ihrer Leben und stellten dabei weitere Gemeinsamkeiten fest. „Wer die Briefe liest, würde eine von Beginn an zugeneigte und freudige Gesinnung wahrnehmen. Der Inhalt ist aber natürlich vertraulich“, so der Betreuer von Margarethe. Es ist für sie eine späte Freude ihres Lebens und ein Stück weit wird damit auch ihre Sehnsucht nach Hamburg gestillt. Die Corona-Pandemie verschärft die Einsamkeit vieler Menschen in Pflegeheimen oder auf der Straße. Das Projekt ‚Post mit Herz‘ will ihnen helfen und sucht Kartenschreiber“, heißt es auf der Internetplattform der Initiative, in der sich sieben Hamburgerinnen und Hamburger engagieren. Auf der Online-Plattform von "Post mit Herz" finden Schreibwillige Adressen von sozialen Einrichtungen.

Und so funktioniert es: Soziale Einrichtungen melden sich mit der Zahl ihrer benötigten Karten an. Schreibwillige registrieren sich ebenfalls bei www.postmitherz.org. Per E-Mail bekommen sie dann die entsprechende Adresse, an die ihr Gruß gehen soll. Schon in den letzten Jahren wurden deutschlandweit Zehntausende Weihnachtskarten verschickt und es werden immer mehr.

Foto: Aus einer Weihnachtskarte entstand eine Brieffreundschaft zwischen zwei Menschen unterschiedlicher Generationen und über die räumliche Distanz hinweg.


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