„Ein Leben ohne Bilder ist für mich nicht denkbar“

Schlüchtern
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„Ein Leben ohne Bilder ist für mich nicht denkbar“, sagt Michael Krupinski. Der 53-Jährige ist gelernter Fotograf und feiert mit seinem Schlüchterner Unternehmen Foto Freund den sagenhaften 150. Geburtstag.



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Für Michael Krupinski sind Bilder mindestens genauso wichtig wie ein Text, in vielen Bereichen sogar wichtiger. Deshalb wollte der 53-Jährige auch Fotograf werden. Seine Kindheit trug ihren Teil dazu bei, dass er Bildern so viel Bedeutung beimisst: „Meine Eltern sind beide gehörlos“, sagt Krupinski. Um Deutsch zu lernen, musste er immer zu seiner Oma nach Frankfurt. „Meine Muttersprache ist aber Gebärde.“ Krupinski selbst kann ganz normal hören und sprechen. In seiner DNA steckt aber eher das Bild und weniger das Wort.

Seit mehr als 30 Jahren ist Michael Krupinski bereits Inhaber von Foto Freund. Eine lange Zeit, doch verglichen mit dem Alter des Betriebs beinahe nur ein Wimpernschlag. 150 Jahre alt ist das Fotogeschäft. Es zählt damit zu den ältesten Unternehmen in diesem Bereich in Deutschland, vielleicht ist es sogar das älteste. Gegründet wurde Foto Freund von Johannes Freund, der seine ersten Aufträge im Jahr 1869 bekam. Schon damals war der Sitz in der Gartenstraße 18 in Schlüchtern — dort ist die Firma auch heute noch zu finden. Die Fotografie steckte bei der Gründung von Foto Freund noch in den Kinderschuhen, Deutschland war ein loser Zusammenschluss aus deutschen, preußischen und österreichischen Staaten, das Deutsche Kaiserreich stand kurz bevor, und an die Weimarer Republik dachte noch keiner — geschweige denn an die beiden Weltkriege oder die deutsch-deutsche Mauer.

Johannes Freund übergab den Betrieb später an seine beiden Söhne, die das Geschäft wiederum an ihre beiden Söhne weiterreichten. Mitte der 1980er-Jahre fand sich kein Nachfolger in der eigenen Familie, und so kam es zu einer Kooperation mit Norbert Daniel, der in Hünfeld bereits einen Laden hatte und das Geschäft kurzerhand in Foto Daniel umtaufte. Norbert Daniel stellte Michael Krupinski kurz darauf als Fotograf ein.

Im Jahr 1990 verkaufte Norbert Daniel das Unternehmen schließlich an Krupinski, der damals gerade mal 24 Jahre alt war. Seine erste Amtshandlung: Er änderte den Namen wieder zurück in Foto Freund. „Da steckt so viel Tradition drin. Das darf man nicht anrühren“, findet Krupinski. Mit dem Betrieb kaufte der Fotograf auch einen riesigen Fundus an alten Schätzen: „Wir haben Fotos vom Distelrasen-Tunnelbau aus dem Jahr 1909, aber auch von wichtigen Persönlichkeiten aus sämtlichen Jahrzehnten sowie Architekturfotos in unserem Archiv.“

Michael Krupinski leitet das Geschäft mit seiner Frau Claudia. Die beiden haben fünf Mitarbeiter, darunter eine Auszubildende zur Einzelhandelskauffrau. Seine Fotos entwickelt der Betrieb übrigens im hauseigenen Fachlabor, und das seit jeher. Für Krupinski eine Frage der Qualität, aber auch der Privatsphäre: „Fotos sind sehr persönlich und intim. Deshalb behalten wir sie bei uns und schicken sie nicht in irgendwelche Großlabore.“

Und was bringt die Zukunft für seine Branche? „Die Smartphones höhlen den Hobbybereich aus. Dafür hält der Retrotrend weiter an. In der Musik sind es die Schallplatten, bei der Fotografie die Polaroidkameras, die wieder gefragt sind. Im Profisegment wird auch in Zukunft Bedarf an guter Beratung und hochwertigen Produkten bestehen.“ Krupinski will darauf vorbereitet sein, „was in zehn Jahren in der Branche passiert“. Deshalb baut er gerade den Bereich der 360-Grad-Panorama-Fotografie aus. Luftbilder mit der Drohne bekommt man bei Foto Freund ebenfalls schon jetzt. Als Mann, der Gebärdensprache beherrscht, kann Michael Krupinski mit gehörlosen Menschen perfekt zusammenarbeiten — von der Beratung bis zum Fotografieren. Das spricht sich natürlich herum. Bei der Gehörlosen-Community, immerhin knapp 80.000 Menschen in Deutschland, ist Krupinski ein gefragter Mann. Sorgen um die Zukunft macht sich der Fotograf also nicht. Vor Investitionen scheut Krupinski auch nicht zurück. Erst kürzlich kaufte er einen Hasselblad-Scanner zur Digitalisierung von Fotos, der zu den absoluten High-End-Geräten gehört.

Seine Nachfolge hat Michael Krupinski noch nicht geregelt. Ob einer seiner beiden Söhne den Betrieb einmal übernehmen wird, weiß der Fotograf nicht. „Ich möchte sie auch nicht zwingen. Es gibt nämlich keinen schlechteren Mitarbeiter als den, der nicht will.“ Das gilt auch für Inhaber. Michael Krupinski möchte ohnehin „so lange weitermachen, wie es geht“. Und das kann noch eine Weile so gehen. Denn ein Leben ohne das Fotografieren ist für den Mann, der so gerne mit Händen und Bildern spricht, ohnehin nicht vorstellbar.

Foto: Das Fotogeschäft Foto Freund feiert in diesem Jahr 150. Geburtstag. Inhaber Michael Krupinski freut das sehr. Bildnachweis: "Foto Freund“.


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