Streit im Klinikum Schlüchtern: Frau mit heißem Wasser übergossen

Schlüchtern
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Weil sie heißes Wasser über eine andere Frau goss, ist eine 61-Jährige wegen gefährlicher Körperverletzung vor dem Amtsgericht Gelnhausen zu einer Bewährungsstrafe von acht Monaten verurteilt worden. Die Schlüchternerin hatte bis zuletzt ihre Unschuld beteuert. Die Bewährungszeit beträgt zwei Jahre. Außerdem muss die Verurteilte 500 Euro an die Tafel in Gelnhausen bezahlen. Richterin Sarah Lehmann hielt die Frau für voll schuldfähig.



Die Tat hatte sich bereits vor fast zwei Jahren am Abend des 12. Juni 2020 im Klinikum Schlüchtern abgespielt. Die beiden Frauen waren Patientinnen auf derselben Station. Das Opfer, eine 77-Jährige aus dem Altkreis Gelnhausen, sollte in dieser Nacht zur Beobachtung in der Nähe des Dienstzimmers schlafen. Während die beiden diensthabenden Nachtschwestern kurz im Sozialraum waren, passierte das Unglück: Die 61-Jährige hatte sich Teewasser gekocht. Etwa mit der Hälfte des Kanneninhalts übergoss sie die im Bett liegende Mit-Patientin. Diese erlitt dadurch großflächige Verbrühungen zweiten Grades im Schulter- und Nackenbereich. Die Seniorin schrie vor Schmerzen.

Bereits fünf Tage vor diesem Vorfall waren die beiden Frauen schon einmal aneinandergeraten. Laut Anklage der Staatsanwaltschaft Hanau stritten sie da wegen eines Rollators. Die 77-Jährige hatte sich - im Glauben, es sei ihr Gefährt – das der Angeklagten angeeignet. Das brachte diese derart in Rage, dass sie die betagte Dame mehrfach mit Fäusten gegen Oberkörper sowie Ober- und Unterarm schlug. Dieser Sachverhalt wurde in der Gerichtsverhandlung letztlich mit Blick auf das Urteil in dem anderen Fall eingestellt. Insgesamt sechs Schwestern des Klinikums Schlüchtern waren als Zeuginnen erschienen und erläuterten die Hintergründe des länger schwelenden Streits zwischen den beiden Frauen. Bei der 77-Jährigen lag eine schwere Demenz-Erkrankung vor. So streifte sie häufig durch die Zimmer der anderen Bewohner, was die 61-Jährige störte und immer wieder für Streit sorgte. Diese wiederum, so bestätigten es die Pflegekräfte nahezu übereinstimmend, war in der Abteilung als Unruhestifterin bekannt. Demnach beleidigte sie andere Patienten und Pflegekräfte und hielt sich nicht an Regeln. Überdies beging sie kleinere Diebstähle in ihrem Umfeld, beispielsweise klaute sie Zigaretten oder Schokolade. Für Demenz-Kranke habe sie kein Verständnis aufgebracht.

Den vorsätzlichen Angriff mit dem heißen Wasser bestritt die Angeklagte mehrfach in der Gerichtsverhandlung. Und präsentierte eine ganz andere Version: Als sie mit dem heißen Wasser vor dem Bett der 77-Jährigen stand und ihr hilfsbereit einen Tee eingießen wollte, sei plötzlich ein anderer Patient hinzugekommen und habe sie kräftig in die Nieren geschlagen, so dass sie unbeabsichtigt die Kanne entleert habe. Von diesem Mann wusste sie zunächst keinen Namen, sondern beschrieb ihn als älteren Mann mit dunklen Haaren und gebücktem Gang. Sie bezeichnete ihn wegen seiner Herkunft als „Jugo“. Er sei dafür bekannt gewesen, andere ohne Vorwarnung zu schlagen. Nur eine der sechs Schwestern konnte sich dunkel an einen solchen Herrn erinnern. Keine wusste jedoch von diesen körperlichen Attacken in der damaligen Zeit. Die beiden wichtigsten Zeuginnen waren die beiden Nachtschwestern. Sie berichteten übereinstimmend, dass sie nach den Hilfeschreien des Opfers sofort dem Opfer Hilfe geleistet und sich um die 61-Jährige gekümmert hätten. Zu dieser Zeit sei der Gang ansonsten menschenleer gewesen. Lediglich die Angeklagte sei gerade in ihr Zimmer „gehuscht“.

Das Opfer selbst konnte als Zeugin nicht gehört werden. Sie ist mittlerweile verstorben, allerdings nicht an den Folgen der Attacke mit dem heißen Wasser. Ein psychiatrischer Gutachter diagnostizierte bei der 61-Jährigen zwar eine Persönlichkeitsstörung, die aber nicht unbedingt zu einer verminderten Schuldfähigkeit geführt habe. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft Hanau sprach von einer „extrem linken Nummer“ der Angeklagten. Die Bilder der Verbrühungen zeigten ein „Bild des Grauens“. Die Beteuerung der Angeklagten, durch die Attacke des „Jugos“ sei es zu dem Verbrühen der Frau gekommen, bezeichnete er als Schutzbehauptung. Er forderte eine neunmonatige Bewährungsstrafe. Der Verteidiger der Frau sah bei seiner Mandantin eine verminderte Schuldfähigkeit und plädierte für eine Strafe „im unteren Rahmen“. / hd


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