Gesundheitsstandort Schlüchtern: Sorgen um Nachwuchs

30 Ärzte, Apotheker, medizinisches Fachpersonal und Lokalpolitiker haben erstmals gemeinsam über den Gesundheitsstandort Schlüchtern diskutiert. Foto: Stadt Schlüchtern

Schlüchtern
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Ärzte, Apotheker, medizinisches Fachpersonal und Lokalpolitiker haben erstmals gemeinsam an einem Tisch Platz genommen. Auf Einladung von Bürgermeister Matthias Möller (parteilos) diskutierten die rund 30 Teilnehmer zum Thema „Zukunft des Gesundheitsstandortes Schlüchtern“. Die Teilnehmer waren persönlich angeschrieben worden und freuten sich, dass erstmals diesem Thema in der Bergwinkelstadt Raum zur Aussprache gegeben wurde. Denn eines wurde bei dem 90-minütigen Treffen in der Stadthalle klar: Der Ärztemangel ist längst auch in der Region spürbar.

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Der Bürgermeister wies in seiner Einleitung auf die Bedeutung dieses Gesprächs hin. Viele Bereiche der Infrastruktur unterliegen derzeit gravierenden Veränderungen. Die Stadt wolle die Betroffenen aktiv bei diesem Prozess der Transformation begleiten. Zielgruppengerecht biete sie Begegnungsabende für die Bereiche Unternehmen, Handel und eben Medizin an. Man wolle den Beteiligten die Hand reichen und versuchen, gemeinsam Lösungen zu entwickeln. „Die Frage ist: Wie können wir ihnen helfen und sie unterstützen?“, umriss es das Stadtoberhaupt.

Im Rahmen einer Vorstellungsrunde konnten alle Gäste ihre Anliegen und Sorgen vortragen. Unter ihnen waren nicht nur Hausärzte, sondern auch Fachmediziner und Mitarbeiter der Main-Kinzig-Kliniken, Apotheker und vom Main-Kinzig-Kreis Dr. Jasper Plath, Beauftragter des Amtes für Gesundheit und Gefahrenabwehr. Schnell entstand ein offener Dialog, bei dem diverse Probleme auf den Tisch kamen. Verschiedene Mediziner in der Bergwinkelstadt stehen vor einem Eintritt in den Ruhestand und finden keinen Nachfolger – obwohl sie teilweise seit Jahren händeringend suchen. „Mir tut es in der Seele leid für meine Patienten“, resümierte eine Medizinerin ihre bislang erfolglose Suche. Und ein anderer meinte mit dem Blick auf Aufnahmestopps in vielen Praxen: „Wenn die Menschen keinen Hausarzt mehr finden, wird es dunkel in Schlüchtern.“

Auch die heimischen Apotheker plagen Sorgen. Da es nur noch drei Pharmazien in Schlüchtern gibt, sind die Beteiligten häufig mit Notdiensten im Einsatz. Alle drei waren an dem Infoabend vor Ort. Große Einmütigkeit herrschte bei der Feststellung der Wichtigkeit, für den Standort mehr Anreize zu schaffen. Ganz oben auf der Wunschliste steht dabei die Schaffung von ausreichend Betreuungs- und Kindergartenplätzen für Kinder. Gerade da die „Medizin weiblicher geworden ist“, also mehr Frauen als Ärztinnen tätig sind, sei eine zuverlässige Versorgung ihrer Kinder fundamental wichtig.

Auch die Schaffung von Wohnraum, beispielsweise in „Boarding“-Häusern, sowie eine bessere Anbindung mit dem öffentlichen Nahverkehr seien wichtige Faktoren für die Ansiedlung. Eine Schlüsselrolle käme künftig den „Medizinischen Versorgungszentren“ zu, war Tenor. Junge Ärzte wollten heute lieber angestellt sein und nicht mehr die Belastung der Selbstständigkeit auf sich nehmen. Einzelpraxen hätten keine Zukunft.

Schlüchtern müsse ein Benefit-Paket schnüren und an den Universitäten präsentieren, um mit den großen Städten konkurrieren zu können. Verwiesen wurde auf das erfolgreiche Konzept „Landpartie 2.0“ im Landkreis Fulda, bei dem Medizinstudenten umfangreiche Hilfen zum Hineinschnuppern in Landarztpraxen gewährt werden. Anwesende Ärzte schwärmten für den Standort Schlüchtern. Teilweise waren sie mehr zufällig hier gelandet, doch sie hätten den Schritt nie bereut. „Das war die beste Entscheidung. Der Standort ist perfekt“, umriss es ein Gast. Deutlich wurde dabei auch, dass einige Kollegen, die hier tätig sind, ihre Wurzeln im Bergwinkel haben und damit einst in ihre Heimat zurückgekehrt sind.

Als Sofortmaßnahme will Bürgermeister Möller mit einer neuen Werbeagentur eine Imagekampagne starten. Zielgruppengerecht solle auf humorvolle Weise für Schlüchtern geworben und neugierig für den Standort gemacht werden. Der Film für den Bereich Medizin werde noch vor den Sommerferien zusammengeschnitten und den Ärzten und Apothekern vorab zur Verfügung gestellt, um Verbesserungsvorschläge einzubringen. Anschließend solle damit noch in diesem Jahr „auf allen Kanälen“ für die Stadt geworben werden.

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30 Ärzte, Apotheker, medizinisches Fachpersonal und Lokalpolitiker haben erstmals gemeinsam über den Gesundheitsstandort Schlüchtern diskutiert. Foto: Stadt Schlüchtern


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