Gewerbegebiet zu Lasten der Sicherstellung der Trinkwasserversorgung?

Kilianstädten
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Derzeit läuft das Offenlegungsverfahren für den Bebauungsplan der Gemeinde Schöneck zur Erweiterung des Gewerbegebiets Kilianstädten Nord II.



"Dort ist der Bau des viel diskutierten Rechenzentrums auf Ackerflächen mit einer Größe von rund 18 Fußballfeldern geplant. In den Antragsunterlagen gibt es auch ein Gutachten zum Thema Grundwasser und Trinkwasserversorgung von Kilianstädtens. Denn das geplante Gewerbegebiet liegt im Wasserschutzgebiet des Brunnens Hellerborn. Dieser Brunnen ist 2021 aufgrund der wiederholten Trockenperioden der letzten Jahr reaktiviert worden, um die Trinkwasserversorgung in Kilianstädten sicherzustellen. Der Brunnen bildet zusammen mit dem Wolfsbrunnen das Rückgrat der Wasserversorgung Kilianstädtens. Besonders während längerer Phasen ohne Niederschläge sind die 220.000 Kubikmeter, die als Jahresfördermenge aus diesem Brunnen genehmigt sind, 'Gold' wert", meldet sich das "Bündnis lebenswertes Schöneck", mit einer Pressemitteilung zu Wort.

Dem Thema Grundwasser habe sich der Geologe Guido Vero angenommen, der selbst in Kilianstädten wohnt und sich mit den Grundwasserverhältnissen im Raum Schöneck beschäftige. Er sieht das Gutachten des Bebauungsplans zum Grundwasser im Hinblick auf die Versorgungssicherheit Kilianstädtens kritisch: „Aus fachlicher Sicht ist dieses Gutachten schlecht recherchiert und fachlich fehlerhaft“, so der Geologe.

In dem Gutachten werde einleitend erklärt, dass von Seiten des Kreisausschusses des Main-Kinzig-Kreises „Bedenken bestehen“, dass die geplante Versiegelung der Fläche des neuen Gewerbegebiets zu einer „erheblichen nachhaltigen Beeinträchtigung der Grundwasserneubildung“ führen werde. Weiter heiße es: „Vor diesem Hintergrund wurde das Fachbüro gebeten, eine Sichtung der kurzfristig verfügbaren Unterlagen sowie der Einschätzung der Verhältnisse vor Ort vorzunehmen und eine erste Stellungnahme zu erarbeiten.“

"'Kurzfristig' und 'eine erste Stellungnahme'? Für die Genehmigung des Bebauungsplans eines Gewerbegebiets, das für immer einen Eingriff in ein Wasserschutzgebiet bedeutet? Und das für die Trinkwasserversorgung Kilianstädtens einen großen Beitrag leistet?", frage er sich manchmal, was in den Köpfen der Planer vor sich geht, kommentiert Vero. Aus langjähriger Erfahrung wisse er, dass bei der Planung vieler Gewerbegebiete oft das Thema Grundwasser zu kurz komme. Ähnlich wie bei der Gasversorgung merke man erst, wenn etwas versiegt sei, dass man hätte rechtzeitig vorsorgen müssen. "Aber leider kommt bei den meisten Menschen das Wasser aus dem Hahn und der Strom aus der Steckdose", kommentiert Vero.

"Die eigentlich für die Reserveversorgung von Kilianstädten vorgesehenen Brunnen Hellerborn und Wolfsbrunnen wurden durch den Wasserversorger wegen der geringen Niederschläge der letzten Jahre seit Anfang 2021 reaktiviert, um die aktuelle Wasserversorgung Kilianstädtens sicherzustellen. Denn die Versorgung durch die Brunnen der umliegenden Gemeinden musste wegen des Wassermangels unterbrochen werden, um deren eigene Versorgung sicherzustellen. Wie das sein kann, sollte man sich als Einwohnerin und Einwohner Kilianstädtens fragen. Schließlich steht und fällt alles mit der Trinkwasserversorgung. Das pikante an der ganzen Sache: Um sicherzustellen, dass das Gewerbegebiet genehmigt werden kann, versucht die Gemeinde durch ein weiteres Gutachten zu widerlegen, dass das geplante Rechenzentrum im Wasserschutzgebiet des Brunnens Hellerborn liegt. Anhand mehrerer Bohrungen auf der Fläche des künftigen Rechenzentrums sei nun in einer Tiefe von ca. drei bis fünf Meter eine dichte Lehmschicht nachgewiesen, die keinerlei Regenwasser in tiefere Schichten sickern lasse, erklärte ein Vertreter des Gutachterbüros auf der Informationsveranstaltung der Gemeinde Schöneck. Daher seien die von der künftigen Versiegelung betroffenen Flächen ohne Relevanz für das Wasserschutzgebiet und können ausgeschlossen werden. Außerdem sei ein Versickerungsbecken geplant, um anfallende Niederschläge zu versickern", so das Bündnis in der Pressemitteilung weiter.

Dies sei nur Augenwischerei, entgegnet Vero. Denn in der Versickerungsfläche lande nur Niederschlagwasser, das bei Starkregenereignissen nicht rechtzeitig in die Kanalisation eingeleitet werden könne. Der Rest werde über die Kanalisation in die Kläranlage nach Niederdorfelden geleitet und geht damit für die Grundwasserneubildung des Brunnens verloren.

Und dass sich im Untergrund eine dichte Lehmschicht befindet, sei schon richtig, bestätigt Vero. Eines hätten die Experten aber übersehen: "Das Gebiet ist während und nach der letzten Eiszeit oberhalb der erbohrten drei bis 5 Meter durch Wind, Flüsse und Bäche überprägt worden, die Rinnen bildeten, in den sich feine Sande ablagerten, bevor der wertvolle Löss sie überdeckte und der heutige Ackerboden entstand. Und genau das ist das Problem. Diese grundwassergefüllten Rinnen durchziehen die für den Bau des Rechenzentrums geplanten Flächen und schlängeln sich talwärts in Richtung des Brunnens Hellerborn, wie in Satellitenbildern zu erkennen ist", erklärt der Geologe.

"Da diese Rinnen durch Bohrungen schwer zu erfassen sind, geben die im Rahmen des durch die Gemeinde beauftragten Gutachtens durchgeführten Bohrungen eine Scheinrealität wieder, die keine Rückschlüsse darauf zulassen, ob das geplante Rechenzentrum aus dem Wasserschutzgebiet und damit aus dem Wassereinzugsgebiet des Brunnens Hellerborn ausgeschlossen werden kann. Zudem sind in Kilianstädten geologische Bruchzonen im Gestein zu finden, in denen das Wasser dieser Rinnen versickern kann. Um den gesicherten Nachweis zu führen, müsste man die Anzahl der Bohrungen auf der Fläche des künftigen Rechenzentrums deutlich erhöhen, besser wäre ein Schurf über die gesamte Fläche. Das wäre aber nicht wirtschaftlich umsetzbar", so Vero. Außerdem rät er zu Grundwassermarkierungsversuchen, die Rückschlüsse auf den Anteil des Gewerbegebietes an der Grundwasserneubildung des Brunnens zulassen. Berücksichtigt man die Tatsache, dass immer mehr Niederschläge stark lokal begrenzt niedergehen, sei jeder Quadratmeter einen Wassereinzugsgebiets wichtig.

Vero kritisiert auch den Umgang der Gemeinde mit der Wasserversorgung Kilianstädtens: "Fragt man bei der Gemeinde nach, wie Kilianstädten mit Trinkwasser versorgt wird, erhält man dort keine Auskunft sondern wird an den Wasserversorger verwiesen. Umgekehrt versucht die Gemeinde zu widerlegen, dass der Brunnen Hellerborn für die Versorgung Kilianstädtens wichtig sei. Selbst die Ortspolitik springt auf diesen Zug auf", sagt Vero frustriert und verweist auf die kürzlich veröffentlichten Argumentationen des Gemeinderats gegen die Vorwürfe des Bündnisses lebenswertes Schöneck: "Man hat den Eindruck, dass die Gemeinde sich bei der Trinkwasserversorgung aus der Verantwortung zieht und meint, die Brunnen der Nachbargemeinden werden es schon richten. Nicht umsonst wurde der eigentlich für die Notwasserversorgung vorgesehene Brunnen Hellerborn reaktiviert. Das sollte einem doch zu denken geben, wenn die Brunnen der benachbarten Orte, mangels Grundwasserneubildung kein Wasser mehr liefern können."

Ob nun Gewerbegebiet mit oder ohne Rechenzentrum, der Geologe sieht den gesamten Bebauungsplan kritisch, weil das Thema Grundwasser nur mangelhaft untersucht sei. Schließlich gebe es in der Gemarkung keine bis wenige Möglichkeiten, einen neuen Brunnen zu bohren. Vero schlägt deshalb vor, den künftigen Betreiber des Rechenzentrums zum Bau eines neuen Brunnens für die Sicherung der Wasserversorgung Kilianstädten zu verpflichten oder zumindest zu motivieren. Das sollte selbstverständlich sein, wenn man sich als so großer Betrieb in der Gemeinde ansiedeln und so eine große Fläche versiegeln möchte. Schließlich nutze auch das Rechenzentrum Trinkwasser.

Bis zum 24.11.2022 läuft noch die Offenlegung der Unterlagen des Bebauungsplans zum Gewerbegebiet Kilianstädten Nord II, auf dem das Rechenzentrum gebaut werden soll. Bürgerinnen und Bürger können noch bis zum 24.11. Ihre Einwendungen zu den Unterlagen bei der Gemeinde einreichen.

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