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Bürgermeisterin Cornelia Rück (SPD), der Vorsitzende des Ausländerbeirats Klearchos Aliferis und Pfarrers Kaarlo Friedrich fanden passende Worte. Der Posaunenchor sorgte mit musikalischer Begleitung für einen feierlichen Rahmen. Etwa 100 Teilnehmer setzten ein starkes Zeichen für Frieden und Solidarität. Der 17-jährige Schüler Jonas Wacker sprach über seine Gedanken zum Angriff auf die Ukraine und berichtete von Erlebnissen seiner Ur-Großeltern, die den Zweiten Weltkrieg in Kilianstädten erlebten.

Hier seine Rede im Wortlaut:

"Sehr geehrte Damen und Herren,

mein Name ist Jonas Wacker und ich wohne mit meiner Familie hier in Schöneck-Kilianstädten. In einigen Tagen werde ich 18 Jahre alt, mache im nächsten Jahr mein Abitur und dann steht mir die Welt offen. - Zumindest dachte ich das bis zum 24. Februar. Vor 2 Wochen griff der russische Präsident Putin völlig unerwartet die Ukraine an – und damit die gesamte westliche und europäische Wertegemeinschaft.

Und plötzlich ist Krieg in Europa!

Gerade war ich froh, dass die Corona-Pandemie nun endlich beherrschbarer erscheint. Meine Freunde ich mussten – so wie Sie sicher auch – in den letzten beiden Jahren auf so viel verzichten: Klassenfahrten wurden abgesagt, mein Schwimm- und Fußballtraining fand nicht mehr statt, Reisen in andere Länder und der Schüleraustausch fielen aus, anstatt in der Schule zu lernen und dort meine Klassenkameraden zu treffen, saß ich allein in meinem Zimmer beim Online-Unterricht, anstatt meine Jugend mit Freunden zu genießen und Partys zu feiern, musste ich zuhause bleiben. Schmerzlich haben wir alle erfahren, was es bedeutet, nicht frei leben zu können. Nun wird unsere Freiheit auf ganz andere Art und Weise schon wieder bedroht.

Meine Generation, meine Eltern und auch meine Großeltern kennen Krieg in Europa nur aus Geschichtsbüchern. Anders ist das bei meinen Ur-Großeltern: Senni und Ludwig Wacker sind beide in Kilianstädten geboren, aufgewachsen und leben noch immer hier. Sie haben den 2. Weltkrieg miterlebt. Obwohl sie bei Kriegsende erst 11 und 14 Jahre alt waren, hat diese Zeit sie geprägt. Senni hat bis heute die Briefe ihres Vaters aufgehoben, die er ihr als Soldat von der Kriegsfront geschrieben hatte. Auch die Todesnachricht hat sie aufgehoben, in der mitgeteilt wurde, dass er „in soldatischer Pflichterfüllung für Führer, Volk und Vaterland“ gefallen ist. Als sie ihren Vater verlor, war meine Ur-Oma erst 10 Jahre alt.

Mein Ur-Opa Ludwig erzählte mir, wie er die letzten Kriegswochen in Kilianstädten erlebte: Am Samstag, den 24. März 1945 wurde er aus der Schule entlassen. Einen Tag später stellte Pfarrer Lutzel ihn und weitere Jugendliche des Geburtsjahrgangs 1930/31 zur Konfirmation vor. An diesem Tag gab es Fliegeralarm und schon um 9 Uhr heulten die Sirenen. Pfarrer Lutzel verkürzte den Gottesdienst in der Kirche, da Bombardierungsgeräusche aus Richtung Frankfurt zu hören waren. Die immer näherkommenden Geschützdonner machten alle nervös und trieb die Kilianstädter in die Bunker und Luftschutzkeller. Richtig sicher waren die Bunker jedoch nicht. Sie waren zum Teil in Lehmböden gegraben und mit Fichtenholzbalken abgestützt. Etwas sicherer waren die Luftschutzkeller, die in den Gewölbekellern der Kilianstädter Fachwerkhäuser eingerichtet und mit Eisentüren versehen waren. Sie standen nicht nur den Hausbewohnern, sondern auch den Nachbarn zur Verfügung. Man rückte zusammen. Am Morgen des 27. März gab es einen Tieffliegerangriff auf den Kilianstädter Bahnhof und die dortige Umgebung. Einige Menschen, die gerade aus dem Zug ausgestiegen waren, wurden von Philipp Schmidt in dessen Haus in Sicherheit gebracht. Er selbst und drei weitere Personen schafften es jedoch nicht mehr rechtzeitig ins Haus und wurden von Schüssen getroffen und getötet. Die Flieger schossen auf alles, was sich bewegte. Sogar die 10-Jährige Anna Repp aus der Feldstraße wurde erschossen, als sie am Neuberg Blumen pflückte. Der Kilianstädter Hauptlehrer, Herr Adamy, wurde ebenfalls von Schüssen der Tiefflieger tödlich getroffen während er mit dem Fahrrad zwischen Wilhelmsbad und Mittelbuchen unterwegs war. Insgesamt verloren 106 Kilianstädter in diesem furchtbaren Krieg ihr Leben oder blieben vermisst. Es war eine schlimme Zeit mit vielen Entbehrungen, denn auch die Nahrungsmittelversorgung war schlecht und fast alle hatten tote Familienmitglieder, Verwandte oder Freunde zu beklagen.

Mich macht es traurig und nachdenklich, wenn meine Ur-Großeltern vom Krieg erzählen. Wie gut, dass wir den Hass von damals überwunden haben und in einer ganz anderen Zeit leben. Ich habe meine Grundschulzeit im Ausland verbracht und ging dort auf eine internationale Schule. Für mich ist es selbstverständlich, Menschen aus anderen Ländern zu begegnen, mich interessiert mit ihnen auszutauschen und friedlich zusammenzuleben. Doch was mir bislang so selbstverständlich scheint, ist es offenbar nicht. Der Friede in Europa, ja vielleicht sogar weltweit, ist in Gefahr. Außerdem stehen wir vor großen Herausforderungen, wenn Geflüchtete aus der Ukraine zu uns kommen und wenn die Preise für Heizöl, Diesel, Benzin und sogar Nahrungsmittel rasant steigen.

Aber dennoch bin ich zuversichtlich! Ich habe Vertrauen in die Demokratie und Vertrauen in ein geeintes Europa. Ich vertraue den Politikern unseres Landes und unserer Verbündeten, dass sie sich für eine friedliche Lösung des Konflikts einsetzen und immer wieder das Gespräch mit dem russischen Präsidenten suchen.

Ich habe auch großes Vertrauen in unsere Gemeinschaft hier in Schöneck. Wir werden es gemeinsam schaffen, Geflüchteten aus der Ukraine Schutz zu gewähren, ihnen Unterkünfte zur Verfügung zu stellen, sie in unserer Gemeinschaft aufzunehmen und ihnen zu helfen, sich hier zurecht zu finden.

Wir stehen heute hier, um gemeinsam ein Zeichen zu setzen gegen den Krieg in der Ukraine. Wir sind aber auch zusammengekommen, um uns gegenseitig Kraft und Zuversicht zu geben. Lassen Sie uns gemeinsam die Herausforderungen angehen, die auf uns zukommen. Lassen Sie uns einander helfen und denjenigen Hilfe zukommen lassen, die sie benötigen. Ich bin zuversichtlich, dass es uns gemeinsam gelingt, diese Welt etwas friedlicher zu machen.

Beenden möchte ich meine Rede mit dem Taufspruch, den meine Eltern und Pfarrer Kellmereit für mich ausgesucht haben - nach Matthäus 5, Vers 9: „Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder sein.“


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