Marjosser Töpferhandwerkskunst: Wichtiges Element der Spessartkultur

Marjoß
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Das knisternde Feuer im Werkstattofen spendet wohlige Wärme und im ganzen Raum hat sich eine feine Tonsstaubschicht über die Drehscheiben, die einer Mangel ähnelnde Tonmühle, den Tonschneider und das spärliche Mobiliar gelegt, verleiht dem Raum eine fast verwunschene Atmosphäre. Es ist das Reich des besonders von der mittelalterlichen Töpfer-Handwerkskunst beseelten Lehrers Peter Ommert. Schon nach wenigen Worten spürt man sein Engagement und seine Leidenschaft für das Töpferkunsthandwerk.



Von Peter Völker

Dabei, so sagt Ommert, habe zunächst seine Frau Eva das Töpfererbe der Familie Ruppert für sich entdeckt und somit die alte Werkstatt zum Leben erweckt. Er selbst sei zwar schon als Kind und Jugendlicher durch die Erzählungen seines Großonkels Georg Ruppert infiziert worden aber seine späte Liebe zur Töpferkunst, die zum Erwerb der historischen Werkstatt geführt hat, sei durch das Nutzen der Einrichtung durch seine Ehefrau erwacht.

Marjoß sei im hessischen Spessart historisch ein besonderer Standort mit eigenen Tongruben gewesen in dem zahlreiche Töpferfamilien ihrem Handwerk nachgegangen seien. Ab den 60iger Jahren habe eine intensive Nachfrage nach Marjößer Tonprodukten über den lokalen und regionalen Markt hinaus aus dem Rhein-Main-Gebiet eingesetzt, was an manchen Tagen zu regelrechten Verkehrstaus in den Dorfstraßen geführt und das kleine Dorf regelrecht zur „Goldgrube“ für die Töpfer gemacht habe. Die städtischen Bedürfnisse – auch von Sammlern - hätten die Entwicklung von den ursprünglich schlichten, für den Alltagsgebrauch hergestellten bäuerlichen Tongefäßen in erdfarbenen Tönen zu den farblich verzierten kunsthandwerklichen Produkten befördert. Einen außergewöhnliche „Schatz“ in der Produktpalette stelle der nur in Marjoß gedrehte Schraubtopf mit einem tönernen Gewinde dar, mit dem, ähnlich einer Thermoskanne, warme und kalte flüssige Speisen, wie die „Buarnsoppe“ oder die Kaltschale „Quötschesoppe“ in einem mit Stroh gepolsterten Korb den Bauern auf dem Felde zur Mahlzeit gebracht wurden. Die Marjößer Keramik habe sich besonders durch die gute Tonqualität, die Formenvielfalt und die typische Farbgebung ausgezeichnet, was allesamt im kleinen, der Werkstatt angegliederten Museum zu bestaunen ist. Das dörfliche Kunsthandwerk habe Sammler auch über die Grenzen Deutschlands hinaus angeregt. So habe beispielsweise der Direktor eines Museums in Basel Gefäße aus seiner Marjößer Privatsammlung an das Ommertsche Museum zurück gespendet.

Das Töpferhandwerk in Marjoß lag jenseits des heute in der Wirtschaft gebräuchlichen Outsourcing und Joint-Ventures in den Händen einer Familie. Die Produktionskette begann in den Tongruben auf der höchsten Erhebung nahe dem Dorf, dem „Bellinger Kreuz“ und dem von Wäldern und Wiesen eingesäumten „Ratzerod“. Der Ratzeroder Ton, der durch Einlagerung von eisenhaltigem Basalt eine rötliche Färbung hat, sei als billige Naturfarbe zum Bemalen der Gefäße verwendet worden. Nach dem Abbau wurde der Ton zunächst in der Scheune getrocknet, danach in kleine Brocken zerschlagen und vor der Verarbeitung auf den Drehscheiben in großen Bottichen wieder gewässert, bevor die feuchte Tonmischung aus magerem und fetten Tom in der Tonmühle „gemangelt“ und im Tonschneider zu Tonwürsten geformt wurde. Während die magere Tonart eher für die im Haushalt verwendeten größeren Gefäße diente, wurde der fette Ton zur Herstellung der filigraneren Produkte genutzt.

Die Töpferkunst erreicht im Brennen ihren glanzvollen Höhepunkt, denn erst danach kommen die Endfarben zum Vorschein und das Gefäß erhält im schillerschen Sinne seine „feste Form aus Lehm gebrannt“. Im Sinne der Marjößer Töpfer hätte Schiller allerdings Ton brennen lassen müssen. In den Ruppertschen Brennofen, der die Größe eine kleines Zimmers hat und der vor dem Brennen immer zugemauert und danach wieder aufgebrochen wurde, wurden ungebrannte Gefäße von mehreren Töpfern regalartig eingesetzt. Bei dem so genannten „Kasseler Ofen“ aus dem Jahre 1927 handelt es sich hessenweit um den letzten seiner Art. Der Brennvorgang dauerte zwei Tage und um die notwendige Temperatur aufrecht zu erhalten, wurde diese von der Töpferfamilie, zu der sich zeitweise Verwandt und Freunde gesellten, durchgehend im Schichtdienst überwacht.

Ausgelassene Zusammenkünfte in der Töpferwerkstatt während der Brandnacht gehörten zu den geselligen Ereignissen im Dorf, ja sie hatten Kultstatus. Stundenlang saß man zusammen, plauderte, aß und trank, scherzte und genoss die Brennstunden des gemütlichen Zusammenseins nicht selten bei einem Gläschen Branntwein. Eine Anekdote beschreibt die heitere Stimmung dieser Stunden trefflich. Ein Bauer, der in der Abenddämmerung seinen Kaltblüter von der Weide an Werkstatt und Brennofen vorbei zum heimatlichen Stall führte, wurde der heiteren Stimmung drinnen gewahr, öffnete die Werkstatttür und soll folgenden Satz von sich gegeben haben: „Wette, dass mein Gaul auch noch hier rein passt“ ….und in die Tat umgesetzt haben. Werkstatt, Brennofen und Museum können besichtigt werden. Anmeldung per Email an Peter Ommert: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.

Die erste Erwähnung der Keramik erfolgt in einer Urkunde des Klosters Schlüchtern von 1391. Damit ist Marjoß einer der am frühesten genannten hessischen Töpferorte. Die Töpferei war neben der Land- und Forstwirtschaft die wichtigste Erwerbs- oder Nebenerwerbsquelle bis zur beginnenden Industrialisierung. Im 19. Jahrhundert lebten im Haupt- oder Nebenerwerb zeitweise 44 Familien von der Töpferei. In der letzten gewerblichen Töpferei in der Brückenauer Straße (Familie Ruppert) wird heute in der fünften Generation gearbeitet. Informationen zum Töpferhandwerk in Marjoß bietet auch der Geschichtsverein Jossgrund, eine Ortsgruppe im Spessartbund, an: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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Innenleben des Brennofens.

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Peter Ommert beim Drehen eines mittelalterlichen Tellers nach englischem Vorbild.

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Verzierte Keramik.


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