"Großes Medzentrum in unsere kleine Altstadt?"

Wächtersbach
Typographie
  • Smaller Small Medium Big Bigger
  • Default Helvetica Segoe Georgia Times

Die Erstellung eines Grund- und Nutzungskonzeptes für ein „Medzentrum“ in Wächtersbach haben die Stadtverordneten in ihrer jüngsten Sitzung – der letzten vor der in wenigen Wochen anstehenden Kommunalwahl - beschlossen und dafür 100.000 Euro für Planungskosten bewilligt.

Anzeige


medzenwbachfreie.jpg

"Obwohl im Voraus, zumindest seitens der Opposition, kritische Töne geäußert wurden, haben die Mandatsträger am Ende einstimmig der Vorlage des Magistrats zugestimmt. Wie könnte man auch im Vorfeld einer Wahl gegen das honore Ziel einer Verbesserung der Haus- und Fachärzteversorgung argumentieren? Obwohl dieser ehrenhafte Vorsatz auch von den Freien Wächtern, die in diesem Jahr erstmals zur Wahl in der Messestadt zur Kommunalwahl antreten, vollumfänglich unterstützt wird, lehnen sie die dargestellte Vorgehensweise in mehreren Punkten ab. Nach ihrer Auffassung hat das sogenannte Medzentrum nach Sommerbühne und Gesundheitsakademie ebenfalls das Zeug, zur Politposse zu verkommen. Allerdings mit dem Unterschied, dass dieses Mal die Mandatsträger der Stadt Wächtersbach alleine die finanzielle und gestalterische Fehlplanung zu verantworten hätten. Wir könnten es uns auch leichtmachen und unsere Bedenken erst nach der Wahl äußern. Aber wir sind angetreten, um Ehrlichkeit, Sachlichkeit und Transparenz in unser politisches Miteinander zu bringen. Somit können und wollen wir mit unserer Kritik bei diesem für die Stadt so wichtigen Thema nicht bis nach der Wahl abwarten“, erklären die Freien Wächter in einer Mitteilung.

"Um was geht es? In einer Pressemitteilung der Stadt Wächtersbach vom September 2020 wurde die Umsiedlung der Schlossparkpraxis in die Rentkammer angekündigt. Somit schien ein guter Konsens zwischen den Ärzten und der Stadt gefunden, und das altehrwürdige Gebäude sah einer sehr guten Nutzung entgegen. Dieses Resultat haben wir in einer Pressemitteilungim Dezember unter dem Titel ,Stadtentwicklung mit Augenmaß‘ ausdrücklich begrüßt – und dazu stehen wir auch heute noch“, bezieht Dr. Eberhard Wetzel, Vorstandsmitglied der Freien Wächter, klar Stellung. Auch Bürgermeister Andreas Weiher (SPD) habe im Herbst betont, dass dies eine sinnvolle Nutzung des historischen Gebäudes in direkter Nachbarschaft zum Schloss sei, auch wenn diese zunächst mit einer aufwändigen Sanierung verbunden sei. Von einem „Medizinischen Versorgungszentrum“ (MVZ) sei zum damaligen Zeitpunkt – zumindest öffentlich – noch nicht die Rede gewesen, stellen die Freien Wächter nun fest. Nach einem von den Kommunen Wächtersbach, Bad Soden-Salmünster, Brachttal und Birstein beauftragten Gutachten der Ideenwelt Gesundheitsmarkt GmbH (IWG) stehe jetzt aber nicht mehr ein Ärztehaus in der Rentkammer zur Debatte, sondern ein Neubau eines „Medzentrums“. In diesem hinter der Rentkammer entstehenden Neubau soll die bestehende Schlossparkpraxis integriert werden und eine Ansiedlung von Fachärzten sowie weiteren Gesundheitsdienstleistern, etwa einer Apotheke oder Therapeuten, ermöglicht werden. Die Rentkammer könne dann für „Paralleleffekte“, so die Wortwahl des Bürgermeisters, genutzt werden.

„Soweit, so nicht gut“, kritisiert Alexandra Wink, Mitglied in der Arbeitsgruppe Stadtentwicklung der Freien Wächter, denen es daran liegt, in diesem schwierigen Umfeld einen Konsens zu erzielen – auch mit dem Ziel einer sinnvollen Nutzung des Schlossumfeldes und der dortigen Gebäude. In ihrer Mitteilung präzisieren die Freien Wächter ihre Gedanken zum Themenkomplex: Im Gebäudebestand der Rentkammer und des ,Rückriegels‘ der alten Brauerei zwischen Schloss und Obertor stünden nach einer – aufwändigen – Sanierung beziehungsweise einer Neugestaltung bereits circa 2000 Quadratmeter an Nutzungsfläche zur Verfügung. Hiervon würde die Schloßparkpraxis circa 500 Quadratmeter benötigen. Für die Sanierung der Rentkammer sowie des „Neubaus“ des Rückriegels sind im Investitionsplan der Stadt Wächtersbach bis 2024 bereits neun Millionen Euro vorgesehen und dafür entsprechende Fördergelder beantragt.Ein Nutzungskonzept für das Schlossumfeld – Rentkammer, Bauerei-Rückriegel und Marstall – liegt bis heute nicht vor und hätte in den vergangenen zwei Jahren längst erarbeitet werden können. „Was wird aus diesen Gebäuden, wenn die Allgemeinmediziner nicht wie gewünscht in die Rentkammer umziehen und stattdessen ein teurer Neubau das Schlossumfeld weiter verdichtet?“, fragt Manfred Huck von den Wächtern, die eine Sinnhaftigkeit eines Neubaus anzweifeln und in diesem Zusammenhang auch an eine Aussage Weihers aus dem September 2020 erinnern. Der Rathauschef war damals mit den Worten zitiert worden: „Wer in der Lage ist, eine ehemalige Wasserburg oder ein fast ruiniertes Schloss zu einem modernen Verwaltungssitz zu sanieren, der schafft es auch, eine grundsätzlich intakte Rentkammer zu einem ,Ärzte- und Gesundheitshaus‘ erfolgreich umzuwandeln.“ Dieser Äußerung widersprächen nun die Pläne für einem Neubau, erklären die Freien Wächter und verweisen auf das Schloss Meerholz, wo in einem historischen Gebäude in einer aufwändigen Sanierung ein Ärztehaus entstehen soll. „An einer vergleichbaren Lösung für Wächtersbach zeigt hingegen die IWG wohl kein Interesse, da das Gießener Unternehmen offensichtlich nur den Neubau präferiert. Warum also dem gleichen Unternehmen, dass das obengenannte Gutachten verfasst hat, nun erneut bis zu 100.000 Euro an Projektkosten bewilligen, wenn das Ergebnis schon programmiert erscheint? Ebenfalls merkwürdig, dass Bürgermeister Weiher und die SPD Fraktion, entgegen der zuvor genannten Äußerung vom September 2020, nun in einem Artikel vom 13.Februar 2021 zitiert werden, dass die altehrwürdige Rentkammer teuer saniert werden müsse und die Praxis in einem Neubau besser aufgehoben sei. Von einer ergebnisoffenen Diskussion kann damit keineswegs die Rede sein“, kritisiert Arne Holick von der neuen Wählergruppierung.

Laut dem Wunsch aller Bürger soll neben der hausärztlichen auch die fachärztliche Versorgung langfristig erhalten und verbessert werden. Diese sei laut Strukturanalyse der IWG, der auch die SPD-Fraktion und der Bürgermeister vollumfänglich folgen, in jenem Neubau anzusiedeln. Bei diesem Themenkomplex bestünden allerdings erhebliche Probleme, wonach laut Sicht der Freien Wächter eine Ansiedlung von Fachärzten im Schlossumfeld kaum realisierbar erscheint: „Im Ärztehaus im Ziegelgarten besteht bereits ein gut funktionierendes Facharztzentrum. Eine Umsiedlung der chirurgisch-orthopädischen Gemeinschaftspraxis in ein ,Medzentrum‘ am Schloss steht definitiv nicht zur Debatte. Das wurde Bürgermeister Weiher und der IWG bereits vor etlichen Monaten entsprechend kommuniziert.“ Zudem sei ein Wechsel von Fachärzten aus den Nachbarkommunen unwahrscheinlich, da diese in den dortigen Strukturen bereits seit Jahren fest verankert seien. „In diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen, dass Wächtersbach seinen Status als Mittelzentrum im Landesentwicklungsplan eingebüßt hat und nun als ,Mittelzentrum in Kooperation‘ mit Bad Soden-Salmünster und Bad Orb geführt wird. Ein eventuell neues Facharztzentrum könnte somit ein Paradebeispiel für eine interkommunale Zusammenarbeit sein und sollte daher in Absprache mit den beteiligten Kurstädten erfolgen“, ergänzt Dr. Wetzel, selbst Facharzt für Chirurgie in Wächtersbach. Ein solcher Standort könne – ergebnisoffen – nur an einem verkehrstechnisch günstigen Ort entstehen, weshalb die Lage hinter dem Schloss ausscheide.

Nach dem Bedarfsplan der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen stünden für den Main-Kinzig-Kreis kaum neue Fachärzte zur Verfügung, geben die Wächter zu bedenken. Aus diesem Grund erscheine die Akquise neuer Fachärzte für Wächtersbach unrealistisch. Umso bedauerlicher werten es die Wächter, dass in den vergangenen drei Jahren vier Ärzte die Stadt verlassen haben – ein Problem, das auch dem Bürgermeister seit Jahren bekannt ist. Vor gut fünf Jahren habe das Ärztenetz Spessart gemeinsam mit dem Main Kinzig Kreis versucht, eine Verbesserung der ärztlichen Versorgung zu erzielen. Mit Fördermitteln des Landes Hessen sei damals bereits eine Studie erarbeitet worden und den Bürgermeistern der beteiligten Kommunen mit entsprechenden Handlungsempfehlungen vorgelegt worden. „Leider blieben die politisch Verantwortlichen untätig und haben es versäumt, geeignete Räumlichkeiten anzubieten“, erinnert Dr. Wetzel, Vorstand im Ärztenetz Spessart und folgert: „Hätte man damals darauf reagiert, wäre der Verlust der Ärzte womöglich zu vermeiden gewesen.“

Um finanziellen Schaden von den Bürgern abzuwenden empfehlen die Freien Wächter, zunächst keinen Vertrag mit der IWG abzuschließen und hoffen, dass – nicht nur für die Stadt Wächtersbach – die Zukunft der haus- und fachärztlichen Versorgung transparent und tatsächlich ergebnisoffen angegangen wird. Ferner rät die Wählergruppierung dringend an, durch unabhängige Sachverständige zeitnah prüfen zu lassen, ob die Rentkammer und der Brauerei-Rückriegel für eine Hausarztpraxis sowie weitere Gesundheitsanbieter nutzbar sind, dieses Ergebnis – anders als die Studie, auf die Bürgermeister Weiher sich derzeit beruft – öffentlich zu machen und falls möglich umgehend mit der Umsetzung zu beginnen. „Da zu diesem Themenkomplex schon viel Zeit und Geld vergeudet wurden, sollte zum Wohle aller ein umfassender Konsens angestrebt werden. Für eine sinnhafte Mitgestaltung möchten wir uns gerne einsetzen“, erklären die Freien Wächter und bitten die Wächtersbacher bei der am Sonntag, 14. März, anstehenden Kommunalwahl um ein entsprechendes Mandat.

Foto: In unmittelbarer Nachbarschaft zur Rentkammer soll der Neubau des Medzentrums entstehen.


Ihnen ist etwas Interessantes aufgefallen im Main-Kinzig-Kreis? Schreiben Sie uns an info@vorsprung-online.de


Anzeige
Anzeige
Anzeige
Anzeige
Anzeige

online werben

Anzeige
Anzeige
Anzeige
Anzeige

vogler banner

Anzeige

vogler banner

Anzeige

Online Banner 300x250px MoPo 2