"Da in den letzten Jahren besetzte Horste von Rotmilan und Co. plötzlich verlassen oder gar verschwunden waren, wenn Windkraftanlagen in der Umgebung geplant wurden, gab es immer wieder die Vermutung, dass in diesen Fällen eine Vergrämung (Vertreibung) der Brutvögel aktiv betrieben wurde, um ein Windkraftprojekt nicht zu gefährden. Bisher haben Windkraftprojektierer und deren Gutachter diesen Verdacht immer unisono als böswillige Unterstellung von Naturschützern abgetan. Allerdings wurde jetzt vor kurzem im Vogelsberg ein Vorfall publik, der die Befürchtungen der Naturschützer bestätigt. Ein Mitarbeiter des Gutachterbüros wurde zufällig von einer Wildtierkamera dabei erwischt, wie er mit einem Stock an einem Habitatbaum kratzt und klopft. Greifvögel interpretieren das Kratzen und Klopfen an ihrem Horstbaum fälschlicherweise als Angriff eines Nesträubers. Dies kann insbesondere während der Brutsaison dazu führen, dass Greifvögel sofort ihre Brut verlassen und aus diesem Gebiet flüchten. Auch wenn das einem Windkraftprojektierer möglicherweise hilft, darf sich ein erfahrener Gutachter in keinem Fall zu dieser Vorgehensweise hinreißen lassen. Wir halten das Vorgehen des Gutachters auch nicht für einen Einzelfall, wie das Gutachterbüro diesen Vorfall in einer Stellungnahme bagatellisieren möchte. Bei der Vielzahl an naturschutzrechtlichen Untersuchungen für Windkraftanlagen in den vergangenen Jahren wäre es schon ein unglaublicher Zufall, wenn ausgerechnet gerade dieser eine Einzelfall dann auch noch gefilmt worden wäre“, erläutert Dr. Berthold Andres, Vorstand der BI Windkraft im Spessart.
Der Vorgang habe auch für den Main-Kinzig Kreis besondere Brisanz, da das Gutachterbüro, für das der „Baumklopfer“ im Vogelsberg tätig gewesen sei, in den vergangenen Jahren auch naturschutzrechtliche Gutachten im Auftrag des hiesigen Projektierers Renertec für die Windkraftanlagen auf den Vier Fichten im Constantia Forst erstellt hat. Da die naturschutzrechtlichen Gutachten eine wesentliche Grundlage für eine Genehmigung von Windkraftanlagen nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz seien, schreibe der Gesetzgeber nicht nur in Hessen vor, dass die Gutachterbüros eine entsprechende Qualifikation vorweisen müssen. Dies ist bei Gutachterbüros sicherlich nicht der Fall, deren Mitarbeiter die elementaren Grundsätze des Naturschutzes nicht kennen oder möglicherweise sogar bewusst verletzen. Dazu gehört insbesondere, Greifvögel während der Brutzeit nicht zu stören. Die BI fordert das Regierungspräsidium deshalb auf, auffällige Gutachterbüros wie Ecoda, von weiteren Gutachtertätigkeiten für die Genehmigung von Windkraftanlagen auszuschließen.
Auch im Rahmen der geplanten Anlagen in Flörsbachtal habe es in Bezug auf den Rotmilan gewisse Ungereimtheiten gegeben. Ein in 2016 von Rotmilanen besetzter Horst in der Nähe der geplanten Windkraftanlagen am Roßkopf sei in 2017 plötzlich verschwunden gewesen. "Allerdings tauchten die Rotmilane in 2018 erneut am Roßkopf auf und besetzten in diesem Jahr einen Horst, der sich jetzt sogar deutlich näher bei den geplanten Windkraftanlagen befindet. Eigene Untersuchungen durch die BI haben in diesem Jahr dann gezeigt, dass die Rotmilane im Bereich der geplanten Windkraftanlagen wesentlich gefährdeter sind, als der Gutachter von juwi in seinen Gutachten darstellen will. Wie der Genehmigungsbescheid leider belegt, wurden allerdings unsere Gutachten zu dem in 2018 neu besetzen Rotmilanhorst vom Regierungspräsidium Darmstadt nicht berücksichtigt. Das jetzt bekannt gewordene drastische Vorgehen des Baumklopfers im Vogelsberg zeigt aber, dass die einseitige Abstützung von Genehmigungen auf Gutachten der Projektierer zu erheblichen Fehleinschätzungen führen kann. Gutachten von anerkannten Naturschutzverbänden wie unserer BI müssen deshalb bei Genehmigungsverfahren den gleichen Stellenwert besitzen wie die von den Projektierern bezahlten Gutachten“, erneuert Andres eine alte Forderung der BI.
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