Inzidenzwert steigt: Kommt die Ausgangssperre im MKK?

Politik
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Das Coronavirus breitet sich auch im gesamten Main-Kinzig-Kreis wieder stärker aus. Alleine in den vergangenen zwei Wochen wurden dem Gesundheitsamt über 1.000 laborbestätigte Befunde gemeldet. Der Inzidenzwert liegt seit mehreren Tagen damit dauerhaft über der Marke von 100, am Mittwoch bei 148. Der Main-Kinzig-Kreis beantwortet im Folgenden eine Reihe von Fragen zum Infektionsgeschehen, zu Schutzmaßnahmen sowie der laufenden Impfaktion.



Wie ist das derzeitige Infektionsgeschehen aus Sicht des Gesundheitsamts zu bewerten?
Das Infektionsgeschehen ist weiterhin sehr hoch, in der Fläche verbreitet und nicht mehr schwerpunktmäßig in höheren Altersgruppen oder Pflegeeinrichtungen zu verorten. Nach einer Auswertung des Gesundheitsamts waren von den über 1.000 Neuinfektionen in den vergangenen beiden Wochen nur 30 Menschen betroffen, die in einer Alten- oder Pflegeeinrichtung wohnen. Rund 80 Fälle waren es im gleichen Zeitraum alleine in Kitas und Schulen. Ein deutlicher Schwerpunkt des Infektionsgeschehens liegt damit auf den jüngeren und mittleren Generationen, die mobiler sind und mehr Kontakte zu anderen Menschen haben. Etwa die Hälfte der Infizierten steckt sich laut Ermittlungen des Gesundheitsamts im häuslichen und privaten Umfeld an. Der zweithäufigste Ansteckungsort ist der Arbeitsplatz.

Angesichts eines Inzidenzwerts von deutlich über 100: Welche Folgen haben die Beschlüsse von Bundes- und Länderregierungen für den Main-Kinzig-Kreis?
Der Verwaltungsstab hat sich für ein „gleichzeitiges, nachvollziehbares und regional einheitliches Vorgehen“ bei den Maßnahmen ausgesprochen. Es gilt unverändert das Eskalationskonzept, wonach das Land Hessen nun für das gesamte Landesgebiet die sogenannte „Notbremse“ gezogen hat. Auch im Main-Kinzig-Kreis ist demnach ab Montag im Einzelhandel nicht mehr „Click & Meet“ möglich, also der terminlich vereinbarte Einkaufsbummel, sondern nur noch „Click & Collect“, also Bestellung und Abholung von Waren auf Abstand. Der Grundbedarf soll aber weiterhin gedeckt sein; beispielsweise Supermärkte, Drogerien, Frisöre und Gartenmärkte bleiben geöffnet. Im Bereich Sport und der Fitnessstudios gibt es keine weiteren Einschränkungen. Private Zusammenkünfte bleiben auf den eigenen Haushalt und einen weiteren Hausstand, jedoch maximal fünf Personen beschränkt – Kinder bis 14 Jahre nicht einberechnet. Darüber hinaus bereitet der Main-Kinzig-Kreis mögliche Maßnahmen für den Fall höherer Inzidenzwerte vor – das Eskalationskonzept sieht Maßnahmen ab einem Wert von 200 zwingend vor – und hat sich dazu am Mittwoch bereits mit den politisch Verantwortlichen aus benachbarten Kreisen verständigt. Eine Ausgangssperre, wie vom Land Hessen vorgeschlagen, behält sich der Main-Kinzig-Kreis ausdrücklich vor. Allerdings sollen dann regional unterschiedliche Sperrzeiten oder voneinander abweichende Kontaktbeschränkungen dringend vermieden werden. Kurzfristig wird die Kreisspitze zudem in einer Spitzenrunde mit der Industrie- und Handelskammer Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern besprechen, wie in der freien Wirtschaft betriebsinterne Teststrategien konkret fachlich unterstützt werden können und wie das Unterbrechen von Infektionsketten nach Covid-Fällen unter Beschäftigten beschleunigt werden kann.

Wie wirken sich die Impfungen bislang aus?
Die Impfungen in Alten- und Pflegeheimen, Einrichtungen der Eingliederungshilfe und in der Gruppe der Über-80-Jährigen haben einen merklichen Effekt. Die Zahl der Ausbrüche in den Einrichtungen ist seit dem Jahreswechsel deutlich zurückgegangen. Auch der Inzidenzwert bei Menschen, die über 60 Jahre alt sind, liegt seit Wochen niedriger (Mittwoch: 106) als der Wert für den gesamten Kreis (148). Die Schutzimpfung beruhigt das Infektionsgeschehen in diesen sensiblen Bevölkerungsgruppen. Daher wird für den Schutz von Bildungs- und Betreuungseinrichtungen nun die Impfaktion beim Personal von Schulen und Kitas forciert. In den Impfzentren in Hanau und Gelnhausen wurden und werden bis in die erste Osterferienwoche hinein circa 4.500 Interessierte aus diesen Bereichen geimpft. Darüber hinaus stellt der Kreis über Nachrücker- und insbesondere Härtefalllisten sicher, dass keine Impfdosis verfällt, selbst bei kurzfristigen Terminabsagen.

Trägt das vermehrte Testen zu der hohen Zahl an Neuinfektionen bei?
Die vielen neuen Schnellteststationen im Kreisgebiet – und es kommen immer noch fast täglich neue hinzu – haben die Zahl der wöchentlichen Tests erhöht, damit auch die Zahl der positiven Testbefunde. Das Robert-Koch-Institut hat für das gesamte Bundesgebiet einen Anteil an positiven PCR-Testbefunden von vier Prozent errechnet (Stand: Kalenderwoche 10), denen zuvor ein positives Schnelltestergebnis vorausging. Dieser Anteil könnte sich noch leicht erhöhen. Dennoch deckt sich die Berechnung mit den Beobachtungen des Gesundheitsamts, wonach der wesentlich größere Anteil an Coronavirus-Infizierten dann nachgewiesen werden kann, wenn ein konkreter Fall im Umfeld bekannt geworden ist und gezielt Abstriche unter Familienangehörigen beziehungsweise Arbeitskollegen vorgenommen wurden.

Was sagen die Prognosen für die nächsten Wochen?
Das Infektionsgeschehen im Main-Kinzig-Kreis befindet sich nach wie vor in einem exponentiellen Wachstum, so dass das Gesundheitsamt für die nächste Zeit von einem weiteren Anstieg der Neuinfektionenzahl und des Inzidenzwerts ausgehen muss. Die „Notbremse“-Maßnahmen werden ihren Effekt frühestens kurz vor Ostern zeigen. Ob allerdings dieses „Wellenbrechen“ wirklich effektiv sei, hänge weiterhin an jedem Einzelnen selbst. Ohne die Mitwirkung der Bürgerschaft und flankierende Gegenmaßnahmen könnte der Inzidenzwert für den Main-Kinzig-Kreis schon Ende März, Anfang April deutlich ansteigen, wie einzelne wissenschaftliche Berechnungen zeigen.

Wie wirkt sich das auf die Arbeit des Gesundheitsamts aus?
Die hohe Zahl an Neuinfektionen in Bevölkerungsgruppen, bei denen es beruflich und privat bedingt täglich viele Kontakte gibt, erhöht das Arbeitsaufkommen derzeit enorm. Der Main-Kinzig-Kreis reagiert darauf schon jetzt mit einer neuerlichen Erhöhung des Personalstamms, sowohl durch Abordnungen aus anderen Teilen der Verwaltung als auch durch wieder mehr Bundeswehrkräfte. Ein zweiter Baustein ist die Digitalisierung. Der Kreis empfiehlt jedem Bürger und jeder Bürgerin, die App Cluster Diary herunterzuladen. Kontakte eintragen geht darüber leicht, schnell und effektiv. Für den Ernstfall hat es den Effekt, dass Freunde, Verwandte oder Arbeitskollegen schnell informiert sind und die Nachverfolgung von Kontaktpersonen beschleunigt wird. Die App bietet auch schon die Möglichkeit, Schnelltestergebnisse digital zu übermitteln. Bleibt es beim dauerhaft hohen oder noch weiteren Anstieg des Infektionsgeschehens, wird es laut Gesundheitsamt im Bereich der Kontaktpersonennachverfolgung und der Eindämmung der Pandemie wieder Priorisierungen geben müssen. Etwa dann, wenn Ausbrüche in Einrichtungen oder Einzelsystemen wie Pflegeheimen, Krankenhäusern, Unternehmen, Schulen oder Kitas einzudämmen und viele Kontaktpersonen aus vulnerablen Gruppen auf einmal zu informieren sind. Daher sei ein digitaler Austausch wie über Cluster Diary wertvoll für alle Beteiligten, weil die Fallbearbeitung wesentlich beschleunigt werden kann, so das Gesundheitsamt – was umgekehrt auch eine Arbeitsentlastung des Gesundheitsamt um mehrere Stunden je Covid-Fall bedeutet. Die App ist unter anderem in den App-Stores erhältlich, Informationen gibt es unter clustertagebuch.info.

Was kann jeder und jede Einzelne helfend beitragen?
Der Main-Kinzig-Kreis appelliert gerade in diesen Zeiten des exponentiellen Anstiegs an neuen Fällen an die Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger: Abstand halten, Treffen mit mehreren Menschen eher meiden, Hygieneregeln beachten, nicht erst im Zweifelsfall einen Schnelltest machen, im Falle eines Zweifels aber vorsorglich so handeln, als habe man sich infiziert, um sich und andere zu schützen.

Wenn durch die sich ausbreitende britische Virusvariante mehr junge Menschen betroffen sind als beim Wildtyp, hat sich dann auch der Umgang des Gesundheitsamts mit Fällen in Schulen und Kitas verändert?
Ja, es finden in größeren Radien Umgebungsuntersuchungen statt und es werden weiträumiger Kontaktpersonen vorsorglich häuslich isoliert. Hinzu kommen direkt verfügbare Testmöglichkeiten für Erzieher- und Lehrpersonal. Die hatte der Main-Kinzig-Kreis durch sechs kreiseigene Testzentren frühzeitig bereitgestellt, bis Schnelltestzentren in der Fläche geschaffen werden konnten.

Wann können die Hausärzte endlich bei den Impfungen eingebunden werden?
Die Impfungen in über 40 Pilothausarztpraxen des Main-Kinzig-Kreises haben am Dienstag (23.3.) begonnen, nachdem die ersten Impfdosen durch den Kreis ausgeliefert worden sind. Darüber sollen in erster Linie die Menschen Vakzine erhalten, die aufgrund von Vorerkrankungen von einem schweren Infektionsverlauf bedroht sind oder die nur schwer ein Impfzentrum aufsuchen können. Auch die knapp 4.000 Personen, die sich beim Land Hessen für eine häusliche Impfung angemeldet haben und deren Adressen kürzlich an den Main-Kinzig-Kreis übermittelt wurden, sollen auf diesem Weg geimpft werden. Laut Plänen der Bundes- und Landesregierungen sollen nach Ostern dann auch alle Hausärztinnen und Hausärzte in die Lage versetzt werden, ihre Patientinnen und Patienten zu impfen, mit zu Beginn kleinen Mengen an Impfstoff und auch flexibler mit Blick auf die Prioritätsgruppen.


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