Schwarze Null, Steuergerechtigkeit und Wandel der Wirtschaft

Politik
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Am vergangenen Freitag haben Dr. Jörg Kukies und Lennard Oehl mit Moderator Alexander Heger über die künftige Wirtschafts- und Finanzpolitik gesprochen.



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Zu Beginn wurde auf die zahlreichen Unterstützungsmaßnahmen eingegangen, die im Zuge der Corona-Pandemie aufgelegt worden sind. Dabei gab Dr. Kukies einen Einblick in seine Arbeit als Staatssekretär: „Es sind die Absatzmärkte weggefallen, die wirtschaftlichen Konsequenzen waren verheerend. Dann haben wir nach und nach das Instrumentarium entwickelt.“ Gleichsam betonte er aber: „Wir haben mit dem Kurzarbeitergeld viele Arbeitsplätze gerettet und Unternehmen konnten ihre Fixkosten reduzieren.“ Zudem stellte er im Hinblick darauf, dass immer nur die Rettung von großen Unternehmen in den Medien präsent waren, fest: „Die Mittel der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gingen an über 100.000 Unternehmen – die kleinste Kreditkategorie wurde dabei am meisten beansprucht“. Auch Lennard Oehl bestätigte, dass viele Arbeitsplätze - gerade im Main-Kinzig-Kreis - gerettet werden konnten, auch wenn es für einige Branchen eine „ungewohnte Bürokratie“ bedeutet hat.

In einem zweiten Themenblock diskutierten die Beteiligten, inwieweit sich mehr Wirtschaftswachstum und mehr Klimaschutz vereinbaren lassen. Lennard Oehl machte klar, dass dies sich nicht grundsätzlich ausschließe. „Wir müssen uns nicht ökologisch gesundschrumpfen. Wirtschaftliches Wachstum wird auch durch technologische und klimaneutrale Innovationen entstehen. Ein Beispiel ist die Wasserstofftechnologie.“ Mit Blick auf die hohen Investitionen unterstützen beide die Forderung der Industrie, dass es dafür auch einen aktiven Staat bedarf. Jörg Kukies erklärte: „Der Staat muss die Transformation durch Anschubfinanzierung unterstützen.“

Lange Zeit dominierten, so Heger, die Dogmen „schwarze Null“ und Schuldenbremsen die politische Auseinandersetzung. Lennard Oehl positionierte sich klar: „Die schwarze Null ist Geschichte – das hat die Corona-Pandemie gezeigt. Wir brauchen finanzielle Spielräume um in Schlüsseltechnologien investieren zu können.“ Auf den Vorwurf, dass die SPD immer nur Steuererhöhungen fordere, entgegnete Oehl: „Wir wollen eine Entlastung von 90% der Bevölkerungsschicht. Ja, ein Teil kann eine stärkere Besteuerung von höheren Einkommen sein. Es ist aber nur ein Teil. Umso bedeutender ist es, internationale Steuerflucht zu bekämpfen. Dabei ist Olaf Scholz mit der Mindeststeuer ein Coup gelungen.“

Dr. Jörg Kukies erläuterte auf Rückfrage die Mindeststeuer und deren Notwendigkeit: „Internationale, digitale Plattformunternehmer haben es geschafft, mit hohem Aufwand Steuervermeidungsstrategien zu entwickeln. Die globale Mindeststeuer basiert auf zwei Säulen: Erstens verpflichten sich die Staaten, einen Mindeststeuersatz von 15 Prozent auf die Unternehmensgewinne zu erheben. Zweitens haben die Unternehmen die Steuern auch dort zu zahlen, wo Sie ihre Umsätze erzielen. Das leistet einen Beitrag zu Steuergerechtigkeit und der fairen Verteilung.“ Gegenstand des Gesprächs waren auch die EZB-Zinspolitik, wobei beide feststellten, dass die Kritik daran zu pauschal ist. Auch mit Blick auf die Finanzmärkte stellte Dr. Jörg Kukies die Strategie zu „Sustainable Finance“ vor. „Nachhaltigkeit ist in einen Wettbewerbsvorteil umzumünzen. Es werden künftig nur noch nachhaltige Finanzdienstleister überleben und damit auch Arbeitsplätze sichern.“

Auch mit Blick auf Deutschland als attraktiver Startup Standort legte Oehl klar dar, dass der „Staat Hilfe leisten muss – sowohl bei bürokratischen Hürden als auch der finanziellen Ausstattung. Wir brauchen einen Mentalitätswandel – die Kultur des Gründens muss wieder wertgeschätzt werden.“ In diesem Zusammenhang legte Dr. Jörg Kukies die bisherigen Schritte des Bundes dar, der ein Zukunftsfonds auflegt, damit der Bund „an der Seite der Startups stehen kann“. Zum Abschluss betonte Dr. Jörg Kukies, wie wichtig das Verhältnis zur Europäischen Union ist. Lennard Oehl bestätigt dies und zeigte jedoch auch auf, dass neben der großen Ebene auch die Kommunen für den anstehenden Prozess eine wichtige Rolle spielen: „Bundespolitik muss Lösungen schaffen, damit man näher an den Interessen der Kommunen ist. Deswegen trete ich an. Manche Programme schießen über die Realität hinaus.“

Das volle Gespräch ist auf Facebook unter https://fb.watch/v/4bT_ttuVX/ abrufbar.

Foto: Bundestagskandidat Lennard Oehl (links) im Gespräch mit Dr. Jörg Kukies (Staatssekretär im Bundesfinanzministerium) und Moderator Alexander Heger (Mitte).


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