Polizei am Limit im MKK: Über 100.000 Überstunden aufgelaufen

Politik
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„Die Antworten der Landesregierung zur Situation der Polizei im Kreisgebiet zeigen leider genau das, was ich seit Jahren immer wieder sage. Die Beamtinnen und Beamten in den hiesigen Stationen haben aktuell wenig Grund zur Hoffnung, dass sie von ihrem hohen Berg an Überstunden herunterkommen und nachhaltig entlastet werden. Das geht nur über mehr Personal, das dann auch tatsächlich in der Fläche ankommt“, erklärt Landrat Thorsten Stolz (SPD).



Er hatte die beiden heimischen Landtagsabgeordneten Christoph Degen (SPD) und Heinz Lotz (SPD) darum gebeten, aktuelle Zahlen zur personellen Ausstattung der Polizeistationen beim Land Hessen anzufragen, „um das vernehmbare Bauchgrummeln in den Polizeidienststellen und aus deren Umfeld zu überprüfen“. Die Antworten auf eine entsprechende Kleine Anfrage liegen nun vor.

Demnach haben in den vergangenen drei Jahren 2.224 Anwärterinnen und Anwärter hessenweit ihre Ausbildung beendet. Bloß 53 von ihnen wurden in die Dienststellen im Main-Kinzig-Kreis versetzt. Höheren Bedarf hätte es auf den hiesigen Wachen aber durchaus gegeben. Unter dem Strich sind kreisweit gut sechs Planstellen nach wie vor unbesetzt. Hinzu kommen etwa ebenso viele Planstellen, die de facto unbesetzt sind – wegen längerer Krankheit oder Elternzeit von Polizeikräften. Vakanzen gibt es überall, vor allem aber auf den Stationen im Westkreis. Und während jährlich ein bestimmter Stellenaufwuchs stattfindet, summieren sich die Überstunden der Beamtinnen und Beamten im Kreisgebiet mittlerweile auf offiziell über 102.000 (Stichtag: 31.1.2022).

„Der Aufwuchs beim Personal ist nicht ausreichend. Im Bereich von Hanau-Land sind beispielsweise aktuell rund 5 Stellen unbesetzt. Das müssen alles die Beamtinnen und Beamten vor Ort kompensieren. So sind auf Dauer Überlastungen gar nicht zu vermeiden“, sind sich Thorsten Stolz, Christoph Degen und Heinz Lotz in der Bewertung einig. Ebenso augenfällig seien die enormen Überstunden, die sich alleine in den Polizeistationen Gelnhausen (13.147), Hanau II („Hanau-Land“, 10.930) und Schlüchtern (10.185) angestaut hätten, ergänzt Landrat Stolz. Die Überstundensituation werde sich gerade in Gelnhausen und Schlüchtern, wo zuletzt keine nennenswerten personellen Entlastungen stattgefunden hätten, absehbar eher noch verschärfen. „Gut und wichtig ist, dass die Polizei insgesamt schon personell stärker geworden ist, etwa im Bereich von Hanau-Land und in Maintal, wo es Stellenzuweisungen gegeben hat. Aber das ist noch lange nicht der nötige Durchbruch, auf den die Beschäftigten der Polizei seit vielen Jahren warten, denn die neu geschaffenen Stellen müssen auch personell besetzt werden. Das ist leider oftmals nicht der Fall“, so Stolz.

Landrat Thorsten Stolz erneuert in dem Zusammenhang seine Forderung, die Polizeidienststellen in der Fläche zu stärken und im ersten Schritt die offenen Stellen schnellstmöglich zu besetzen. „Der Main-Kinzig-Kreis wächst, insbesondere im urbanen und großstädtischen Umfeld im Westkreis, aber längst nicht mehr nur dort. Die Personaldecke bei der Polizei ist dabei nicht im gleichen Maße mitgewachsen“, so der Landrat. Wenn trotz der erkennbaren Überbeanspruchung der Beamtinnen und Beamten vor Ort nur 53 von 2.224 junge Polizeikräfte den Dienststellen des Kreises zugewiesen werden, so Stolz, „dann muss ich klar sagen: Unser Landkreis wird in puncto Sicherheit vom Land Hessen stiefmütterlich behandelt“: „Die Zuweisung entspricht etwa 2,2% des neu ausgebildeten Personals und damit nur weit entfernt dem Anteil der Kreisbevölkerung an der Bevölkerung des Landes Hessen.“

Die Kleine Anfrage hatte Landrat Thorsten Stolz angeregt. Aus vielen Gesprächen mit Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, der Gewerkschaft der Polizei sowie Bürgerinnen und Bürgern wisse er, dass die Arbeitsbelastung in der hessischen Polizei von Jahr zu Jahr zunehme. „Es gehört zu einem funktionierenden Staatswesen, dass die Sicherheitsbehörden in jedweder Hinsicht gut ausgestattet sind und bei größeren Gefahrenlagen für die Bevölkerung schnell und personell stark vor Ort sind. Verfestigt sich der Eindruck bei den Bürgerinnen und Bürgern, dass das nicht der Fall ist, dann schwindet auch das Vertrauen in den Staat als Garant für Sicherheit und Ordnung“, befürchtet Thorsten Stolz.

Christoph Degen erkennt in den Antworten auf die Kleine Anfrage „Probleme des Landes bei seinen Einstellungsoffensiven“: „Niemandem ist geholfen, wenn Personalprobleme in der Polizei beschönigt oder übertüncht werden, am wenigsten den Beamtinnen und Beamten, die Tag für Tag Dienst tun. Seit Jahren schieben sie einen Berg von Überstunden vor sich her und haben praktisch keine Chance, ihn abzubauen. Nach den Ankündigungen der Landesregierung ist in den vergangenen Jahren nichts an nachhaltiger Abhilfe angekommen. Überstunden, die für weit über 2.500 Wochen Überstundenabbau reichen würden, sind die traurige Wahrheit.“ Gemeinsam mit Heinz Lotz will er sich weiter für eine gute Polizeiausstattung im Main-Kinzig-Kreis einsetzen. Die beiden Landtagsabgeordneten bereiten schon die nächste Anfrage dazu vor.

Heinz Lotz fordert ein Einstellungsprogramm des Landes Hessen, das nicht nur die Personallücken in bestimmten Bereichen in den Blick nimmt. „Es gibt sicher einige nachvollziehbare Gründe, bei der verfügbaren Zahl an neuen Polizistinnen und Polizisten zu priorisieren. Aber wenn die Decke dann entweder hinten oder vorne zu kurz ist, dann muss das Ausbildungsprogramm selbst schleunigst vergrößert und attraktiver werden, damit es eben für die verschiedenen Ebenen der Exekutive gleichermaßen reicht. Dazu gehört auch eine bessere Vergütung, hier liegt Hessen unter dem Bundesdurchschnitt“, so Lotz. 


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