Steuergeldverschwendung: Elf hessische Fälle im Schwarzbuch, Lob für Hanau

Politik
Typographie
  • Smaller Small Medium Big Bigger
  • Default Helvetica Segoe Georgia Times

Der Bund der Steuerzahler (BdSt) hat sein Schwarzbuch „Die öffentliche Verschwendung 2022/23“ veröffentlicht. Es handelt sich um die 50. Ausgabe der traditionsreichen Publikation, in der alljährlich 100 exemplarische Fälle von Steuergeldverschwendung enthüllt werden. Mit dabei sind auch 11 hessische Beispiele. „Das Schwarzbuch zeigt seit fünf Jahrzehnten anhand konkreter Beispiele auf, welche Fehler zu Verschwendung führen. Damit wollen wir dazu beitragen, ähnliche Fälle in Zukunft zu vermeiden. Dass uns das immer wieder gelingt, zeigt das Kapitel Erfolge“, erklärt Joachim Papendick, Vorsitzender des BdSt Hessen.



Im Schwarzbuch findet sich in diesem Jahr unter anderem das sogenannte Wasserband in Marburg. 2019 stellte die Stadt fest, dass bei dieser treppenartigen Wasserinstallation inmitten einer Straße in nur einem Sommer fast 20 Mio. Liter Trinkwasser im Wert von 35.000 Euro unbemerkt im Boden versickert sind. Bei einer genauen Überprüfung wurden erhebliche Schäden erkannt. Für die Reparatur müssen ebenfalls die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler aufkommen. Die Stadt sollte daraus lernen und den Wasserzähler nun in engen Abständen kontrollieren.

Auch Egelsbach hat es 2022 ins Schwarzbuch geschafft: Dort wurde für 125.000 Euro ein neuer Kreisverkehr gebaut, der u.a. als Buswendeschleife dienen sollte. Die Umsetzung des Baus übernahm die Regionalpark RheinMain SüdWest GmbH, die Kosten trugen zu 80 Prozent das Land und zu 20 Prozent die Gemeinde Egelsbach. Doch leider fiel der Kreisel zu klein aus, sodass er von Bussen nur schlecht befahren werden kann. Nun soll der Bereich noch einmal für 75.000 Euro umgebaut werden. Die Gemeinde hofft, dass den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern keine unnötigen Mehrkosten entstehen. Der größte Teil der Kosten für den Umbau wäre nach deren Angabe auch angefallen, wenn man gleich richtig geplant hätte, für den Rest wolle das beauftragte Planungsbüro aufkommen. Ob diese Rechnung aufgeht, ist noch unklar. Die von der Gemeinde als Ursache genannten Kommunikations- und Personalprobleme dürfen nicht dazu führen, dass ein Bauvorhaben falsch umgesetzt wird und unnötige Kosten für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler riskiert werden.

Der BdSt kritisiert in der diesjährigen Ausgabe zudem die hohen Aufwendungen für Kunst am Bau an einer entstehenden Kindertagesstätte in Bischofsheim. Insgesamt 100.000 Euro sollen dort für gleich drei Projekte ausgegeben werden. In Relation zu den Gesamtbaukosten von 5,9 Mio. Euro ist dies deutlich mehr als die 1 Prozent, die das Land für Kunstwerke an seinen Neubauprojekten veranschlagt. Aus Sicht des Steuerzahlerbunds stellt sich die Frage, ob das darüber hinausgehende Geld nicht besser in gute Bildung und Betreuung angelegt gewesen wäre.

Einen Eintrag ins Schwarzbuch erhielt auch die voraussichtlich rund 2,5 Mio. Euro teure Offenlegung des Winkelbachs in Kronberg im Taunus. Obwohl die Kosten auf das 33-fache des ursprünglich genannten Betrags stiegen und der ökologische Mehrwert angesichts einer straßenbegleitenden Betonrinne überschaubar ist, besteht die Obere Wasserbehörde auf der Umsetzung. Für sie sind weder Mehr- noch Gesamtkosten ausreichende Gründe, um die Aktion zu stoppen. Für den Bund der Steuerzahler muss auch bei Umweltschutzmaßnahmen die Verhältnismäßigkeit der eingesetzten Mittel gelten. Es wäre besser gewesen, nicht stur an der Offenlegung festzuhalten, sondern die Mittel für sinnvollere Projekte zur Verbesserung des ökologischen Zustands einzusetzen.

Der Steuerzahlerbund kritisiert im Schwarzbuch außerdem, dass die im Frühjahr 2022 installierte „Pixelröhre“ am Rheinufer im Wiesbadener Stadtteil Kastel unnötig groß und teuer ausgefallen ist. Die begehbare Skulptur mit Ausblick auf das gegenüberliegende Mainz mag bei Passanten gut ankommen. Der BdSt fragt sich aber, ob diese immer noch so begeistert wären, wenn ihnen die während des Baus immens gestiegenen Kosten von letztlich 350.000 Euro bekannt wären. Hinter dem Objekt steckt der Regionalpark Rhein-Main, dessen Projekte öfters aus dem Ruder laufen. Zwar sind Kunst und öffentliche Begegnungsorte gerade auch in schweren Zeiten wichtig, doch wäre es nicht auch eine Nummer kleiner gegangen?

Video zum Fall:

Auch aktuelle Entwicklungen im Hinblick auf frühere Schwarzbuch-Fälle greift der BdSt immer wieder auf. 2017 kritisierte der Steuerzahlerbund, dass 2014 im osthessischen Heringen eine Straße zu einem Müllheizkraftwerk fertiggestellt wurde, die aber nicht genutzt werden konnte. Damals hoffte man noch darauf, dass die Voraussetzungen für eine Nutzung noch geschaffen werden können. Doch auch 8 Jahre später konnte die Straße, die die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler mindestens 2 Mio. Euro gekostet hat, noch immer nicht freigegeben werden. Das Problem: Bei den Planungen wurde nicht bedacht, dass ein Bahnübergang, der direkt an der Anbindung liegt, regelmäßig durch rangierende Züge blockiert wird. Um freie Fahrt zu ermöglichen, sollte ursprünglich ein Gleis verlängert werden, doch das kam nicht zustande. Auch eine Einigung mit der Deutschen Bahn über einen Testlauf zur Öffnung der Straße konnte nicht erzielt werden. So liegt die Strecke weiter brach. Für den Bund der Steuerzahler ein Musterbeispiel für Fehlplanungen!

Schon mehrfach war die Autobahn 44 in Nordhessen im Schwarzbuch zu finden. Mit einem Teilstück sollte nach der Wiedervereinigung eine Lücke zwischen Ost und West geschlossen werden. Auch nach 30 Jahren reißt der Strom an Hiobsbotschaften von dort nicht ab, denn die Umsetzung ist seitdem völlig aus dem Ruder gelaufen: Die Kosten sind auf mehr als 2,7 Mrd. Euro explodiert – Ende offen. Hauptgründe für die Misere sind die jahrzehntelange Planungs- und Bauzeit, Umplanungen und die mangelnde gesellschaftliche Akzeptanz des Projekts. Der BdSt fordert, Planungsverfahren endlich zu vereinfachen und zu beschleunigen. Und wenn schon im Vorfeld massive Probleme absehbar sind, müssen diese auch berücksichtigt werden.

Der Paul-Arnsberg-Platz im Frankfurter Ostend ist ebenfalls ein alter Bekannter aus dem Schwarzbuch: Die teuren und wenig nachhaltigen Versuche, den Platz grüner und attraktiver zu machen, brachten der Mainmetropole bereits zwei Einträge im Schwarzbuch ein. Nun will man alte Fehler geraderücken und die Fläche klimagerecht umgestalten – wofür erneut 1,4 Mio. Euro fällig werden. Angesichts knapper Ressourcen wäre nachhaltiges Handeln von Anfang an wichtig gewesen. Der Bund der Steuerzahler hat dies frühzeitig gefordert und vor verschwenderischem Umgang mit Steuergeld gewarnt.

Doch es gibt aufgrund der Kritik des BdSt auch erfreuliche Entwicklungen: Im Frühjahr wollte die Stadt Hanau durch die Übernahme eines Spielwarenladens das Aus des Traditionsgeschäfts verhindern und die Innenstadt stärken. Der Bund der Steuerzahler meldete öffentlich Bedenken an, denn das hätte bedeutet, dass Hanau mit Steuergeld in den Markt eingreift und privaten Akteuren Konkurrenz macht. Das zeigte Wirkung: Auch aufgrund der BdSt-Kritik hat Hanau schneller als geplant einen privaten Betreiber gefunden und wird nun doch nicht selbst zum Spielwarenhändler.

Im Rheingau-Taunus-Kreis konnte der BdSt ebenfalls einen Erfolg verzeichnen, weil er beharrlich an einem Fall dranblieb. 2021 kaufte der Kreis für seine Schulen für über 900.000 Euro 1.655 Laptops und Tablets. Doch mehr als 300 Geräte blieben ein halbes Jahr lang ungenutzt in den Schulen liegen, weshalb der BdSt mehrfach beim Kreis nachhakte. Der Kreis überprüfte die Nutzung der Apparate und betrieb Schadensbegrenzung. Aus Sicht des BdSt zeigt der Fall, dass das Budget für die unbestritten wichtige Schul-Digitalisierung nach dem tatsächlichen Bedarf und nicht nach dem Gießkannenprinzip verteilt werden sollte. Teure IT, die in Schränken nur an Wert verliert, hilft weder Lehrkräften, noch Schülern. Sicherlich dürfte es sich dabei nicht um einen Einzelfall handeln, auch wenn andere Schulträger dies nicht öffentlich gemacht haben. 

Dass eine Erwähnung im Schwarzbuch positive Folgen haben kann, zeigt das Beispiel des Gewerbegebiets in Runkel. Der Bund der Steuerzahler hatte im Schwarzbuch 2020/21 kritisiert, dass die Stadt das Areal seit dem ohnehin schon fragwürdigen Erwerb im Jahr 2001 nicht vermarkten konnte. Allein für die Zinsen zur Finanzierung der Grundstücke dürfte die Stadt bis 2023 rund 900.000 Euro gezahlt haben. Nun kann sie endlich einen Teil eines seit mehr als 20 Jahren brachliegenden Gewerbegebiets verkaufen. Sicherlich hat die Erwähnung des Falls im Schwarzbuch und die darauffolgende überregionale Berichterstattung auf die Flächen aufmerksam gemacht – und so dabei geholfen, den Ladenhüter an den Mann zu bringen.

Details zu den Fällen aus Hessen finden Sie auf www.steuerzahler-hessen.de und unter www.schwarzbuch.de.


Ihnen ist etwas Interessantes aufgefallen im Main-Kinzig-Kreis? Schreiben Sie uns an info@vorsprung-online.de


Anzeige
Anzeige
Anzeige
Anzeige
Anzeige

online werben

Anzeige
Anzeige
Anzeige
Anzeige

vogler banner

Anzeige

vogler banner

Anzeige

Online Banner 300x250px MoPo 2