Neue Bahnstrecke: Bürgermeister stellen Pläne in Frage

Quelle: https://www.hanau-wuerzburg-fulda.de

Politik
Typographie
  • Smaller Small Medium Big Bigger
  • Default Helvetica Segoe Georgia Times

Neue Bewegung kommt in die Diskussion um die Schnellfahrstrecke, die die Bahn durchs Kinzigtal plant. Mochte manch einer nach Presseveröffentlichungen der vergangenen Tage und Wochen auch glauben, die Trassenplanung sei "in trockenen Tüchern" - die Brachttaler Bürgerinitiative "Pro Brachttal" hat für den 15. Juli bereits zu einem Fest eingeladen, mit dem sie ihren Sieg gegen die "Monsterbrücke" feiern will -, ist das Knallen der Sektkorken vielleicht ein klein wenig verfrüht.



Von Stephan Siemon

Denn: Gleich vier kämpferische Bürgermeister - Mark Bagus (parteilos) aus Kalbach, Dominik Brasch (parteilos) aus Bad Soden-Salmünster, Matthias Möller (parteilos) aus Schlüchtern und Christian Zimmermann (parteilos) aus Steinau - sind davon überzeugt, dass die DB Netze, die das Vorhaben vorantreibt, nicht gründlich genug gearbeitet hat. Sie haben sich kompetente Hilfe geholt. Diplom-Geograph Wulf Hahn vom Planungsbüro RegioConsult und Rechtsanwalt Andreas Ruckelshausen stellen am Dienstag in der Schlüchterner Stadthalle ausführlich ihre Einwände vor, die die Bahn zu einer besseren Einschätzung des Variantenvergleichs bringen sollen.

Ein Punkt, den Wulf Hahn gleich zu Beginn darlegt, klingt zentral und schlüssig: "Die Vorzugsvariante IV wurde immer weiter verfeinert. Die anderen Varianten hingegen seit dem Sommer 2018 auf dem Stand von 2018 belassen. Dieser schwere Fehler wird nun ins Genehmigungsverfahren geschleppt." Hahn fasst zusammen: "Alternative Streckenführungen wurden zu schnell ad acta gelegt, die favorisierte Variante wurde zu einseitig beleuchtet."

Auch Rechtsbeistand Andreas Ruckelshausen betont: "Es ist noch nicht vorbei!" Nach dem Raumordnungsverfahren, das ein behördeninternes Abstimmungsverfahren ist, soll 2028 die Planfeststellung durchs Eisenbahn-Bundesamt kommen - und den folgenden Planfeststellungsbeschluss kann man mit einer Klage angreifen - mit der Folge, dass das Raumordnungsverfahren noch einmal inhaltlich auf Fehler und Mängel geprüft werden kann.

In ihren Statements bekräftigen die Bürgermeister ihre Entschlossenheit, an einem Strang zu ziehen. So müsse die Frage der Baustelleneinrichtungsflächen noch einmal aufgerollt werden: Allein auf Bad Soden-Salmünster würden rund 35 Hektar entfallen, was die Stadt nicht nur mit Baulärm belasten würde, sondern auch in ihrem Bemühen ausbremst, neue Baugebiete zu schaffen. Weitere offene Fragen betreffen den Grundwasserschutz und den Lärmschutz.

Also alles wieder offen? Scheint so. Zumindest haben die Bürgermeister den Ball nun ins Feld der Bahn und der Regierungspräsidien Darmstadt und Kassel, die den Planungen der Bahn "unkritisch" gefolgt seien, zurückgespielt. Und: An ihrer Entschlossenheit, die offenen Fragen letztlich über eine Klage klären zu lassen, kann auch kein Zweifel bestehen. Möller: "Wir ziehen geschlossen an einem Strang."

Hintergrund

Was ist das Raumordnungsverfahren?
Im Raumordnungsverfahren wird ein konkretes Vorhaben – hier die geplante Neubaustrecke Hanau-Würzburg/Fulda – von den betroffenen Regierungspräsidien auf ökonomische, ökologische, kulturelle und soziale Aspekte hin überprüft. Es macht landesplanerische Vorgaben zur Berücksichtigung der Ziele der Regionalplanung für das Planfeststellungsverfahren.

Was ist die landesplanerische Beurteilung?
Die landesplanerische Beurteilung ist das Ergebnis des Raumordnungsverfahrens. In diesem Papier steht, ob das geprüfte Vorhaben mit den beiden Regionalplänen Nord- und Südhessen vereinbar ist oder nicht. Im Falle der Neubaustrecke Hanau-Würzburg/Fulda lautete das Ergebnis: Einzig die Variante IV ist geeignet. Dies wollen die Kommunen Bad Soden-Salmünster, Kalbach, Schlüchtern und Steinau an der Straße nicht akzeptieren, sie bemängeln offensichtliche Fehler und mangelnde Sorgfalt im Raumordnungsverfahren.

Was ist das Planfeststellungsverfahren?
Das Planfeststellungsverfahren ist quasi der Bauantrag mit konkreten Zeichnungen. Die Planfeststellungsbehörde überprüft nun, ob die Begründungen in der landesplanerischen Beurteilung korrekt und ausreichend sind. Jetzt ist es den Kommunen sowie allen Bürgerinnen und Bürgern nochmals möglich, Bedenken öffentlich vorzutragen. Aus diesen Einwänden erstellen die Regierungspräsidien einen Anhörungsbericht, den wiederum die Planfeststellungsbehörde in die Beurteilung mit einfließen lassen muss. Am Ende steht ein Planfeststellungsbeschluss, gegen den geklagt werden kann. Genau diesen Schritt behalten sich die vier Kommunen ausdrücklich vor.

Die geplante Strecke:

Wie verläuft die Variante IV?
Die von der Bahn favorisierte Strecke verläuft von Hanau bis nach Gelnhausen nahezu entlang der bestehenden Gleise. Zwischen Gelnhausen und Wächtersbach verläuft die Strecke im Kinzigtal, wechselt dann auf die andere Talseite und umfährt Bad Soden-Salmünster und Steinau an der Straße östlich. Danach quert die Neubaustrecke bei Niederzell das Kinzigtal erneut mit einem großen Brückenbauwerk mit anschließendem Tunnel und umfährt Schlüchtern schließlich im Norden. Es folgt ein sieben Kilometer langer Tunnel bis Kalbach, bevor die Strecke den Kalbach quert und dort an die Bestandsstrecke anschließt.

Statements der Bürgermeister:

Mark Bagus (Kalbach): Die positive Entwicklung aller Kommunen wird bei der aktuell geplanten Variante IV für mindestens ein Jahrzehnt blockiert, in Kalbach geht es konkret um die vier Tunnel südlich und östlich von Mittelkalbach. Eine Baulärmbetrachtung zu den circa 30 Hektar großen Baueinrichtungsflächen wurde bislang auch nicht vorgelegt, und mögliche Beeinträchtigungen der Trinkwasserversorgung haben ebenfalls keine Berücksichtigung gefunden. Davon sind wir alle betroffen. Ich begrüße das gemeinsame Vorgehen aller vier Kommunen deshalb sehr.

Dominik Brasch (Bad Soden-Salmünster): Die Kommunen Steinau an der Straße, Schlüchtern, Kalbach und Bad Soden-Salmünster sind die vier am stärksten betroffenen, deshalb ist es wichtig, dass wir gemeinsam agieren. Die Regierungspräsidien sind den Vorschlägen der Bahn nahezu ohne Einwände gefolgt, unsere Bedenken, Einwände und Vorschläge, insbesondere zu den geplanten Siedlungserweiterungen, also den Neubaugebieten, wurden dabei kaum berücksichtigt. Damit können wir nicht zufrieden sein. Wichtig zu betonen ist: Es geht uns darum, dass sich das Verfahren an neutralen Maßstäben orientiert. Die von uns entwickelte alternative Trassenführung über die Bestandsstrecke mit der Bündelung an der A66, also Variante VII/V, wurde vom Regieurngspräsidium verworfen, ohne sie einer eigenen Prüfung zu unterziehen. Die Defizite der landesplanerischen Beurteilung werden wir in der Planfeststellung erneut aufgreifen um die jetzige Trassenführung zu verändern.

Matthias Möller (Schlüchtern): Wir stehen Seite an Seite mit unseren Nachbarkommunen und ziehen mit Experten und Fachplanern geschlossen an einem Strang. Wir wollen uns einsetzen und für die Bürgerinnen und Bürger, aber auch für die Umwelt, den Natur-, Trinkwasser- und Lärmschutz das bestmögliche Ergebnis erreichen. Wir alle sehen die Innenstadtentwicklung stark gefährdet, die Belastungen wären enorm, die Gestaltungsmöglichkeiten deutlich eingeschränkt. Deshalb verwenden wir all unsere Kraft darauf, dass unsere Bedenken ernstgenommen werden.

Christian Zimmermann (Steinau an der Straße): Die Argumentationen in der landesplanerischen Beurteilung sind undurchsichtig und nicht logisch nachvollziehbar. Die einseitige Bevorzugung der Variante IV bedroht die Entfaltung unserer vier Kommunen über die Maßen. In Steinau sehe ich vor allem die Trinkwasserversorgung akut in Gefahr, konkret spreche ich vom Tiefbrunnen Schiefer. Es ist unsere Pflicht, uns für die Menschen sowie die Schutzgüter aller Art einzusetzen. Und genau das tun wir mit dem Schulterschluss der vier Kommunen.

plaenebgmbahnausb az

Foto: Stephan Siemon

plaenebgmbahnausb az1

Quelle: https://www.hanau-wuerzburg-fulda.de


Ihnen ist etwas Interessantes aufgefallen im Main-Kinzig-Kreis? Schreiben Sie uns an info@vorsprung-online.de


Anzeige
Anzeige
Anzeige
Anzeige
Anzeige
Anzeige
Anzeige

online werben

Anzeige
Anzeige
Anzeige
Anzeige
Anzeige

vogler banner

Anzeige

vogler banner

Anzeige

Online Banner 300x250px MoPo 2