Der Main-Kinzig-Kreis soll einen Azubi-Campus bekommen, das hat der Kreistag am Freitag mit den Stimmen von SPD, CDU, Grüne und LINKE beschlossen. „Wir setzen dem Fachkräftemangel heute etwas Entscheidendes entgegen“, freute sich Vize-Landrat Andreas Hofmann (SPD) über die Entscheidung. Der Campus soll in Linsengericht-Altenhaßlau auf einem Areal entstehen, auf dem vormals Supermärkte von Rewe und Aldi betrieben wurden. Gebaut werden soll der Campus von der KIZ GmbH aus Bad Soden-Salmünster, der Main-Kinzig-Kreis will als Mieter auftreten.
Start soll im Herbst 2026 sein, Betreiber soll laut Planungen die Kolping Jugendwohnen Fulda gGmbH werden. Kritik gab es im Kreistag aus der Opposition am aktuell prognostizierten Zuschussbedarf von circa 900.000 Euro.
Der Campus soll 100 Zimmer für Jugendliche im Alter von 16 bis 27 Jahren bieten, die ihre Ausbildung bei einem Unternehmen im Main-Kinzig-Kreis absolvieren. Außerdem sollen 50 Schüler in Doppelzimmern untergebracht werden. „Das pädagogische Konzept sieht eine Familie auf Zeit vor“, beschreibt Hofmann das Leben auf dem Campus. Zielgruppe sind Auszubildende, deren Wohnort zu weit vom Arbeitsort entfernt ist und/oder die eigenständig wohnen wollen. Auch Blockschüler oder duale Studenten sollen dort untergebracht werden.
Für Andreas Müller (LINKE) lohnt sich die Investition volkswirtschaftlich: „Zum einen gewinnen die Jugendlichen, zum anderen die kleinen und mittelständischen Firmen. Letztendlich gewinnt auch der Main-Kinzig-Kreis, weil wer einmal in diesem schönen Kreis war, der bleibt hier hängen.“ Das Konzept mit Sozialarbeitern sei zudem gut durchdacht. Max Schad (CDU) sieht eine deutliche Stärkung des Wirtschaftsstandortes: „Wir sind auch bereit, dafür eine dauerhafte finanzielle Belastung für den Main-Kinzig-Kreis in Kauf zu nehmen.“ Für Klaus Schejna (SPD) wird der Campus volkswirtschaftlich wie ein Kindergarten oder eine Bücherei nicht messbar sein, sei aber eine gute Investition.
Die Zahlen hat sich Kolja Saß (FDP) ganz genau angeschaut: Demnach stünden den Kosten von 1,5 Millionen Euro Mietzahlungen der Schüler und Azubis in gleicher Höhe entgegen. „Aber woher kommt dann der Zuschussbedarf?“, beantwortet Saß seine Frage auch gleich selbst: Demnach seien Leistungen, die bisher von der aqa, der gemeinnützigen Gesellschaft für Arbeit, Qualifizierung und Ausbildung mbH des Main-Kinzig-Kreises, auf den Azubi-Campus umgeleitet. Laut Saß eine Folge der angestrebten Kreisfreiheit der Stadt Hanau.
Matthias Pfeifer, Bürgermeister von Hasselroth und Mitglieder Fraktion der Freien Wähler, befürchtet eine Erhöhung der Kreisumlage: „Jeder will diese Idee unterstützen, aber stellt es auf vernünftige Beine“, sollte der Kreis daher vor dem Beschluss noch einmal auf die Suche nach finanziellen Unterstützern gehen. Auch sein Fraktionskollege Carsten Kauck stört sich am jährlichen Zuschussbedarf von circa 900.000 Euro und erinnerte an unvollendete Projekte der Kreisspitze wie beispielsweise die Akademie für Gesundheit oder die zentrale Rettungsleitstelle. Seine Forderung: Die Altprojekte auf den Weg bringen und beim Azubi-Campus vor dem Beschluss zunächst abklären, welche Zuschüsse dafür vom Land zu erwarten sind. „Wir Kreistagsabgeordnete sind keine Versuchskaninchen“, forderte der AfD-Fraktionsvorsitzende Jürgen Mohn ebenfalls eine detaillierte finanzielle Darstellung des Projekts. Die Änderungsanträge von Freien Wählern und AfD fanden allerdings keine Zustimmung.
Landrat Thorsten Stolz (SPD) widersprach vor allem den Stimmen aus der FDP: „Eine Querfinanzierung des Azubi-Campus aufgrund der Kreisfreiheit von Hanau ist völliger Blödsinn.“ Das Projekt sei für ihn die richtige Antwort, um dem Fachkräftemangel im Main-Kinzig-Kreis entgegenzuwirken. Stolz sprach von 12.000 fehlenden Arbeitskräften im Kreisgebiet bis 2028 und kündigte zudem an, dass der Zuschussbedarf durch Landeszuschüsse reduziert werden könnte.