Ein Tag als FSJlerIn oder PraktikantIn in der Heinrich-Hehrmann-Schule

Von links: Sarah-Luise Stern, Megan Pfeifer, Paulina Kulla. Auf dem Bild fehlen: Lisa-Marie Kuhn, Hannah Schröder, Laura Stern.

Schlüchtern
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„Wenn die Kinder mit den Bussen kommen, hole ich meistens ein Kind ab. Wir gehen dann gemeinsam Hände waschen und bei Bedarf begleite ich das Kind zur Toilette. Wenn das erledigt ist, beschäftige ich mich mit den Kindern bis der Morgenkreis beginnt. Wir malen gemeinsam oder spielen mit Autos. Der Morgenkreis besteht immer aus unserem „Morgenlied“, dem Vorlesen des Stundenplans und des Datums und der Wahl des Glückskindes. Nach unserem Morgenkreis steht die Freiarbeit an. Dabei begleite ich in Absprache mit der Klassenlehrerin immer unterschiedliche Kinder, die verschiedene Aufgaben individuell je nach Bedarf bearbeiten“, berichtet Megan, die in der Ersten Klasse der Heinrich-Hehrmann-Schule ihr FSJ absolviert, über den Start in ihren Arbeitsalltag.



Paulina, die in einer Klasse der Berufsorientierungsstufe (16 - 18jährige SchülerInnen) tätig ist, fasst ihre Tätigkeiten folgendermaßen zusammen: „Zu meinen täglichen Aufgaben gehört das Unterstützen der Schüler während des Unterrichts. Dabei helfe ich den Schülern bei Gruppenarbeiten oder betreue sie in der Einzelförderung. Weitere Aufgaben von mir sind Helfen bei der Essensausgabe, Kopieren von Arbeitsblättern und die Übernahme von Laufarbeiten innerhalb der Schule. Im Sportunterricht mache ich aktiv mit und motiviere unsere Schüler, damit sie nicht frühzeitig aufgeben.“

In diesem Schuljahr absolvieren in der Heinrich-Hehrmann-Schule insgesamt vier junge Leute ihr Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ). Dieses stellt für Menschen bis zum 27. Lebensjahr nach Abschluss ihrer Vollzeit-Schulpflicht eine Chance dar, sich selbst persönlich weiterzuentwickeln und darüber hinaus anderen zu helfen. Darüber hinaus führen eine Schülerin der Kinzigschule sowie eine Schülerin der Beruflichen Schulen Gelnhausen ihre Jahrespraktika in der Heinrich-Hehrmann-Schule durch. Die Heinrich-Hehrmann-Schule in Schlüchtern wird von Schülerinnen und Schülern mit geistigen und körperlichen Beeinträchtigungen besucht, die unterschiedliche Unterstützungsbedarfe aufweisen. Jede Lerngruppe wird von multiprofessionellen Teams gefördert, die sich aus unterschiedlichen Berufsgruppen zusammensetzt. Das bietet dem FSJler/der FSJlerin vielfältige Möglichkeiten der beruflichen Orientierung.

Ein wesentlicher Bestandteil des Lehrplans besteht darin, die Schülerinnen und Schüler auf eine möglichst selbstständige Lebensführung vorzubereiten. Megan beschreibt dies folgendermaßen: „Meine Hauptaufgabe war das Betreuen der Kinder in meiner festen Klasse. Besonders die Unterstützung von einem Kind. Ich habe mich individuell mit ihm beschäftigt. Täglich habe ich es beim An- und Ausziehen begleitet. Auch das Anreichen des Essens gehörte zu meinen Aufgaben. Bei der Zusammenarbeit mit dem Schüler habe ich eigenverantwortlich in Absprache mit der Lehrerin gearbeitet. Meine Aufgabe war es, zusammen mit dem Kind eine Arbeitshaltung zu entwickeln. So konnte ich mir überlegen, wie ich dieses am besten für das Arbeiten mit den verschiedenen Materialen begeistern kann.“

Im Bereich der Kulturtechniken ist das Lernen für jeden Schüler individuell abgestimmt und häufig mit Bewegung verbunden: „In Mathe habe ich das Interesse an Bewegung genutzt, um dem Kind die Mengeneinheiten „voll“ und „leer“ näher zu bringen. In einem großen Raum habe ich zwei Kisten platziert. Die leere Kiste stand auf dem Tisch und auf der anderen Seite des Raumes stand eine volle Kiste unter dem Tisch. Nun sollte das Kind unter den Tisch krabbeln, sich ein Teil aus der vollen Kiste nehmen und es rüber in die andere legen. Sobald die Kiste auf dem Tisch voll war, sollte das Kind dies erkennen und die Aufgabe andersrum durchführen.“

„Täglich habe ich mit immer wechselnden Kindern Freiarbeit gemacht. Die Freiarbeit geht über 20 Minuten. In dieser Zeit füllen die Kinder individuell Arbeitsblätter zu den erlernten Unterrichteinheiten in Mathe oder Deutsch aus. Dort musste ich zum Beispiel den Kindern beim Zählen helfen oder Wörter mehrmals deutlich aussprechen. Auch beim Nachspuren und Schreiben konnte ich unterstützen.“

Darüber hinaus kommen die FSJler mit technischen Hilfsmitteln in Kontakt, die im Rahmen der Unterstützten Kommunikation Verwendung finden. Sie lernen den Umgang damit und die Bedeutung von Sprachausgabegeräten kennen, mit denen nicht sprechende Kinder mit ihrem Umfeld in einen Dialog treten können: „Indirekt stand ich auch mit den Eltern in Kontakt. Auf dem „Little-Step-by-Step“ habe ich eine Audioaufnahme darüber erstellt, was das Kind an einem Tag erlebt hat. Die Eltern können sich diese Aufnahme dann Zuhause anhören.“ Mit Hilfe eines Tasters, den der Schüler selbstständig betätigen kann, gelingt es einem Kind von seinen Erlebnissen von zu Hause oder aus der Schule zu berichten. Dadurch dass es seine Gefühle und Bedürfnisse dadurch besser zum Ausdruck bringen kann, werden herausfordernde Verhaltensweisen, wie z.B. Kneifen oder Gegenstände werfen, häufig überflüssig.

Besondere Freude bereitete es Lisa-Marie, wenn sie bei den Kindern „Fortschritte beobachten, ihnen eine Freude machen, mit ihnen zusammen lachen und draußen etwas mit ihnen unternehmen kann“. Von besonderer Bedeutung erweist sich das Freiwillige Soziale Jahr vor allem für die berufliche Orientierung. „Obwohl ich nach meinen FSJ nicht den Beruf der Förderschulpädagogik einschlagen werde, hat mich die Arbeit an der Heinrich-Hehrmann-Schule viele Dinge gelehrt, die mir in meinem weiteren Berufsweg helfen werden. Das wäre zum Beispiel die körpernahe Arbeit mit den Schülern oder der soziale Umgang untereinander.“ Megan fühlt sich in ihrem Berufswunsch bestätigt: „Ich habe immer zwischen Grundschul- und Förderschullehrerin geschwankt. Vor einigen Jahren habe ich mal ein Praktikum in einer Grundschule gemacht, wollte aber immer noch ein Praktikum in einer Förderschule machen. Ich konnte mir nämlich immer schon vorstellen, als Lehrerin in einer Förderschule zu arbeiten. Durch mein FSJ wurde ich jetzt in meiner Entscheidung, Förderschullehrerin zu werden, gefestigt und freue mich jetzt schon auf mein Studium. Die Zeit hat mir etwas gebracht. Ich habe eine kleine Autorität gegenüber den Kindern aufgebaut, die ich für meine spätere Zeit als Lehrerin gut gebrauchen kann. Die Kinder hören viel besser auf meine Worte als am Anfang.“

Darüber hinaus bietet das FSJ für die persönliche Weiterentwicklung eine große Chance. So antwortet Paulina auf die Frage, ob ihr das FSJ für sie persönlich etwas gebracht hat: „Durch mein Freiwilliges Soziales Jahr habe ich die Distanz zu Menschen mit Behinderung verloren. Zuvor war ich mir unsicher, wie ich mit den Schülern umgehen sollte und, ob ich dieser Herausforderung gewachsen bin. Schnell hat sich herausgestellt, dass mir die Arbeit mit den Schülern großen Spaß macht. Die Schüler sind einfach unfassbar dankbar, dass man sich Zeit nimmt, um mit ihnen zu spielen und zu arbeiten. Durch die offene Art der Schüler kann man schnell eine Bindung zu ihnen aufbauen, was das Arbeiten mit ihnen deutlich erleichtert.“ Lisa-Marie ergänzt hierzu: „Sehr viel habe ich über den Umgang mit Kindern und Jugendlichen mit Behinderung gelernt und vor allem darüber, wieviel wir von ihnen lernen können.“

Dazu gehört auch seine eigenen Stärken und Kompetenzen bewusst wahrnehmen und besser einschätzen zu können: „Meine Geduld wurde täglich gefordert und ist während meines Freiwilligen Sozialen Jahres deutlich größer geworden. Außerdem habe ich gelernt meine eigenen Grenzen zu erkennen und diese auszusprechen.“ „Durch mein FSJ habe ich viele verschiede Dinge gelernt. Ich bin über mich hinausgewachsen und habe meine Grenzen täglich erweitert und überschritten (positiv gemeint). Anfangs konnte ich mir nicht vorstellen, eine Windel zu wechseln oder mit einer Person zur Toilette zugehen. Heute ist all das kein Problem mehr für mich. Das gehört dazu, genauso wie das Spielen mit den Kindern. Ich habe auch gelernt, geduldiger zu sein. Manches braucht mehr Zeit und das ist völlig in Ordnung. Zudem habe ich gelernt, alles weniger persönlich zu nehmen.“

Die Mitarbeiter der Heinrich-Hehrmann-Schule freuen sich jedes Schuljahr erneut auf die Zusammenarbeit mit den jungen FSJler/innen und Praktikant/innen. Über die Unterstützung in ihrer schulischen Arbeit hinaus bereichern sie den schulischen Alltag mit ihrem Elan und Engagement. Das FSJ kann über zwei unterschiedliche Bildungsträger BDKJ in Fulda oder Volunta durchgeführt werden. Interessenten für ein FSJ können sich jederzeit auch direkt an die Heinrich-Hehrmann-Schule (Telefon: 06661-4091) wenden. Die Schulleitung steht gerne für weitere Beratungen sowie zur Kontaktaufnahme zu den Bildungsträgern zur Verfügung.

fsjhendrich az

Von links: Sarah-Luise Stern, Megan Pfeifer, Paulina Kulla. Auf dem Bild fehlen: Lisa-Marie Kuhn, Hannah Schröder, Laura Stern.


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