Ein Tag als FSJlerIn oder PraktikantIn

Von links: Lisa-Marie Kuhn, Sophie Marie Scheithauer, Sophie Hofacker, Sina Mosch, Laura Stern.

Schlüchtern
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„Ich laufe zum Klassenraum meiner Ersten Klasse. In der Klasse wird die Freiarbeit vorbereitet und eingeteilt, wer sich um welche Kinder hauptsächlich kümmert an dem Tag.



Dann wird noch ein bisschen gequatscht, bis man um 8:15 Uhr die Kinder vom Bus abholt. Danach wird sich an der Umkleide vor der Klasse umgezogen und das Frühstück ausgepackt. Die Kinder gehen auf Toilette oder werden gewickelt und waschen sich im Anschluss mit Anleitung die Hände. Als nächstes wird der Stuhlkreis für den Morgenkreis zum Start des Schultages gebildet.“, berichtet Sophie Sch., die in der Ersten Klasse der Heinrich-Hehrmann-Schule Ihr FSJ absolviert, über den Start in ihren Arbeitsalltag.

In diesem Schuljahr absolvieren in der Heinrich-Hehrmann-Schule insgesamt vier junge Leute ihr Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ). Dieses stellt für Menschen bis zum 27. Lebensjahr nach Abschluss ihrer Vollzeit-Schulpflicht eine Chance dar, sich selbst persönlich weiterzuentwickeln und anderen zu helfen. Darüber hinaus führt in diesem Schuljahr eine Schülerin der Fachoberschule mit dem Schwerpunkt „Gesundheit“ von der Kinzigschule Schlüchtern ihr Jahrespraktikum an drei Tagen der Woche in der Heinrich-Hehrmann-Schule durch. 

Die Heinrich-Hehrmann-Schule in Schlüchtern wird von Schülerinnen und Schülern mit geistigen und körperlichen Beeinträchtigungen besucht, die unterschiedliche Unterstützungsbedarfe aufweisen. Jede Lerngruppe wird von multiprofessionellen Teams gefördert, die sich aus unterschiedlichen Berufsgruppen (Förderschullehrer, Sozialpädagogen, Erzieher, Heilerziehungspfleger) zusammensetzt. Das bietet dem FSJler/der FSJlerin vielfältige Möglichkeiten der beruflichen Orientierung.

Ein wesentlicher Bestandteil des Lehrplans besteht darin, die Schülerinnen und Schüler auf eine möglichst selbstständige Lebensführung vorzubereiten. Sophie Sch. beschreibt dies folgendermaßen: „Da viele der Kinder, mit denen ich arbeite, nicht wirklich eigenständig sind, begleite ich sie bei eigentlich jedem Schritt, der ansteht. Vom Lernen, Basteln, Sport oder auch Musik machen, etwas spielen oder entspannen, beim Essen und Trinken helfen, Hände waschen, Aufräumen, Wäsche wegbringen, Umziehen, Singen und Tanzen, Mittagessen holen, Zähne putzen, bis hin zum auf Toilette oder in die Pflege gehen. Dabei ist man nicht nur Begleitung, sondern hat auch eine erzieherische Rolle. Zudem bringt man manche der Kinder hin und wieder, z.B. zur Krankengymnastik. In den Pausen der Schüler schaut man, dass nichts passiert oder hilft, z.B. beim Schaukeln oder Fußball spielen mit. Ansonsten gilt vor und nach dem Schultag den Klassenraum aufräumen, säubern und startklar für den nächsten Tag machen.“

Im Bereich der Kulturtechniken ist das Lernen für jeden Schüler und jede Schülerin individuell abgestimmt. „Täglich habe ich mit immer wechselnden Kindern Freiarbeit gemacht. Die Freiarbeit geht über 20 Minuten. In dieser Zeit füllen die Kinder individuell Arbeitsblätter zu den erlernten Unterrichteinheiten in Mathe oder Deutsch aus. Dort musste ich zum Beispiel den Kindern beim Zählen helfen oder Wörter mehrmals deutlich aussprechen. Auch beim Nachspuren und Schreiben konnte ich unterstützen.“

Besondere Freude bereitete es Lisa-Marie, wenn sie bei den Kindern „Fortschritte beobachten, ihnen eine Freude machen, mit ihnen zusammen lachen und draußen etwas mit ihnen unternehmen kann“. „Schön ist es natürlich mit den Kindern Spaß zu haben. Ob das nun in der Pause ist, beim Sport oder Musik machen, beim Lernen oder sogar in der Pflege. Jeden Tag gibt es Situationen, die einen einfach erfreuen,“ berichtet Sophie Sch.. 

Von großer Bedeutung erweist sich das Freiwillige Soziale Jahr vor allem für die berufliche Orientierung. „Ich kann richtig viele und wichtige Erfahrungen für mein späteres Berufsleben mitnehmen. Generell würde ich es jedem empfehlen, der sich im sozialen Feld mal ausprobieren will. Denn hier hat man einen einzigartigen Umfang an allen möglichen Erfahrungen,“ bestätigt Sophie Sch.. Auch Lisa-Marie weiß jetzt, dass sie in ihrer beruflichen Zukunft auf jeden Fall mit Menschen arbeiten möchte.

Darüber hinaus bietet das FSJ für die persönliche Weiterentwicklung eine große Chance. So antwortet Sophie H. auf die Frage, ob ihr das FSJ für sie persönlich etwas gebracht hat: „Durch das FSJ habe ich gelernt, die kleinen Fortschritte mehr zu würdigen, und habe in Hinsicht auf mein Privatleben wieder mehr zu mir zurückgefunden. Auch bei meiner Arbeit als Kinderaushilfstrainerin hat mich das FSJ weitergebracht. In beruflicher Hinsicht haben die Erfahrungen, die ich vor allem mit einem bestimmten Schüler gemacht habe, weitergeholfen.“ Lisa-Marie, die im letzten Jahr bereits ihr FSJ an der Schule absolviert hat und sich jetzt im Rahmen ihres Jahrespraktikums wiederholt für diese entschieden hat, ergänzt: „Sehr viel habe ich über den Umgang mit Kindern und Jugendlichen mit Behinderung gelernt und vor allem darüber, wieviel wir von ihnen lernen können. In der neuen Klasse habe ich viele weitere Erfahrungen gesammelt und weitere Behinderungsformen kennen gelernt. Jeder Schüler ist anders und kann eine Sache auf unterschiedliche Art und Weise lernen. Auch für das Leben in meiner Familie habe ich viel Neues gelernt, z.B. im Umgang mit Kindern allgemein.“

Dazu gehört auch, seine eigenen Stärken und Kompetenzen bewusst wahrnehmen und besser einschätzen zu können: „Schwer wurde es, wenn die Schüler denen man zugeteilt ist, zicken oder die Zusammenarbeit komplett verweigern.“ Auftretende Grenzsituationen helfen häufig dabei zu erkennen, dass man sich bei Herausforderungen stets weiterentwickelt und diese nach einiger Zeit meistern lernt: „Es ist schwierig, wenn ein Kind oder mehrere nicht mehr aufhören zu schreien und man nicht weiß, wie man dem Kind helfen kann. Vor allem, wenn es sich nicht verständigen kann. Man gewöhnt sich aber nach einer Weile an alle möglichen Situationen, wodurch alles weniger anstrengend wird.“ 

 „Durch mein FSJ habe ich viele verschiede Dinge gelernt. Ich bin über mich hinausgewachsen und habe meine Grenzen täglich erweitert und überschritten (positiv gemeint). Anfangs konnte ich mir nicht vorstellen, eine Windel zu wechseln oder mit einer Person zur Toilette zugehen. Heute ist all das kein Problem mehr für mich. Das gehört dazu, genauso wie das Spielen mit den Kindern. Ich habe auch gelernt, geduldiger zu sein. Manches braucht mehr Zeit und das ist völlig in Ordnung. Zudem habe ich gelernt, alles weniger persönlich zu nehmen.“

Die Mitarbeiter der Heinrich-Hehrmann-Schule freuen sich jedes Schuljahr erneut auf die Zusammenarbeit mit den jungen FSJler/innen und Praktikant/innen. Über die Unterstützung in ihrer schulischen Arbeit hinaus bereichern sie den schulischen Alltag mit ihrem Elan und Engagement. Das FSJ kann über zwei unterschiedliche Bildungsträger BDKJ in Fulda oder Volunta durchgeführt werden. Interessenten für ein FSJ können sich jederzeit auch direkt an die Heinrich-Hehrmann-Schule (Telefon: 06661-4091) wenden. Die Schulleitung steht gerne für weitere Beratungen sowie zur Kontaktaufnahme zu den Bildungsträgern zur Verfügung.

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Von links: Lisa-Marie Kuhn, Sophie Marie Scheithauer, Sophie Hofacker, Sina Mosch, Laura Stern.


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