Coronavirus-Fallzahlen und was dahintersteckt

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Über die sozialen Medien verbreiten sich derzeit allerlei Gerüchte und Spekulationen über Coronavirus-Tests und Fallzahlen. Hintergrund ist dabei oftmals, dass einer Person der Test verweigert wurde oder nach allgemeiner Einschätzung zu wenig getestet werde. Auch die unterschiedlichen Zählungen und Zeitpunkte der Veröffentlichung auf Bundes-, Landes- und Kreisebene sind oftmals nicht leicht verständlich.



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Als untere Gesundheitsbehörde gibt einzig der Kreis die Zahlen für alle hiesigen Städte und Gemeinden bekannt. Der Main-Kinzig-Kreis führt die Testungen auf das Coronavirus nicht durch, das macht die Kassenärztliche Vereinigung. Es sollen aber im Folgenden einige Aspekte aufgegriffen und eingeordnet werden.

Wie viele Coronavirus-Fälle gibt es im Main-Kinzig-Kreis und umfasst diese Zahl alle Menschen im Kreisgebiet, die an Covid-19 erkrankt sind?
Dem Gesundheitsamt sind, Stand 29. März, 13 Uhr, 151 Fälle von Coronavirus-Infektionen aus dem Main-Kinzig-Kreis gemeldet worden. Das umschließt mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht alle Erkrankungsfälle. In manchen Fällen können die Symptome derart milde in Erscheinung treten, dass der Betroffene von einer normalen Erkältung ausgeht und einfach so zu Hause bleibt. In anderen Fällen, die sich in häuslicher Isolierung befinden, beispielsweise Rückkehrer aus Risikogebieten, können Erkrankungssymptome während der Isolationszeit auftreten. Wenn es bei bloß leichten Symptomen bleibt, ändert sich für den Betroffenen nichts, ganz gleich ob es sich um eine Erkältung, Grippe oder etwas anderes handelt: Er muss – aufgrund der Regelungen von Bund und Land – ohnehin in der häuslichen Isolierung verbleiben, die sozialen Kontakte drastisch herunterfahren und sich vollständig auskurieren. Ein Test ist dann tatsächlich epidemiologisch nicht notwendig, die selbstständige, konsequente häusliche Isolierung genügt für die betroffene Person und es wird von einer Erkrankung ausgegangen. Allerdings folgt aus diesem – von Fachinstituten auch empfohlenen – Vorgehen, dass die Kontaktpersonen von möglicherweise unentdeckten Covid-19-Fällen nicht ermittelt und isoliert werden.

Wie belastbar ist die Zahl, die das Gesundheitsamt herausgibt?
Die vom Main-Kinzig Kreis herausgegebenen Zahlen basieren auf den von den Testlaboren an das Gesundheitsamt gemeldeten positiven Testergebnissen. Diese werden einmal täglich veröffentlicht. Damit ist sie bei hoher Testfrequenz insofern belastbar, dass sie über einen Zeitraum von mehreren Tagen einen deutlichen Trend abbilden kann. Sie bildet aber sicher nie zu hundert Prozent alle Covid-19-Fälle in einer Region ab. Je höher die Zahl der Tests und der Testfrequenz, desto klarer lassen sich diese Trends ablesen. Der Main-Kinzig-Kreis fordert daher: Es muss in größeren Radien getestet werden. Doch die Entscheidung liegt letztlich nicht in der Hand des Kreises, sondern bei der Kassenärztlichen Vereinigung. Hinter der Kreis-Forderung nach insgesamt mehr Testungen steht die Befürchtung, dass sich das Coronavirus unkontrolliert verbreiten könnte, wenn zu wenige tatsächlich Erkrankte erfasst werden.

Sollte aus Sicht des Kreises flächendeckend getestet werden?
Nein. Von der Verfügbarkeit des Testmaterials und der Laborkapazitäten einmal abgesehen macht es fachlich wenig Sinn. Wer sich möglicherweise infiziert, aber noch keine bemerkbaren Symptome entwickelt hat, bei dem sind die Testergebnisse höchst unsicher. Damit würde es dann vielleicht gerade aufgrund eines negativen Testergebnisses weitere Infizierungen geben.

Wie hoch ist die Anzahl derer, die krank sind, ohne dass sie oder das Gesundheitsamt das wissen?
Das lässt sich nicht genau sagen. Im Vergleich zu anderen Staaten schätzt das Robert-Koch-Institut die sogenannte Dunkelziffer für Deutschland als deutlich geringer ein. Das hänge mit den frühzeitigen Testungen und der vergleichsweise hohen Zahl an Coronatests zusammen. Klar ist aber: Nicht jeder Infizierte entwickelt Symptome und hat sich entsprechend freiwillig selbst häuslich isoliert. Die seit Kurzem in Kraft getretenen Verordnungen und Allgemeinverfügungen von Bundesregierung, Landesregierung sowie des Main-Kinzig-Kreises, zuletzt die bundeseinheitliche Kontaktbeschränkung für den öffentlichen Raum, haben aber praktisch genau das zum Ziel: viele jener zu erreichen und an sozialen Kontakten zu hindern, die das Virus in sich tragen und weitergeben könnten, selbst aber kaum Erkältungssymptome zeigen. Einige Indikatoren sprechen derzeit noch gegen eine flächendeckende Ausbreitung in der Region. Zum einen befanden sich bis Freitagmittag (27.3.) acht Covid-19-Erkrankte aus dem Kreisgebiet in stationärer Behandlung, bei denen die Infektionsketten gut nachvollzogen werden können. Würde sich das Virus flächendeckend ausbreiten, wäre die Situation eine andere und das Herleiten der Ansteckung schwieriger. Zum anderen gehen über die Proben der Arbeitsgemeinschaft Influenza so gut wie keine Coronavirus-Zufallsfunde ein. Über sogenannte Sentinelproben ergibt sich ein wöchentliches Lagebild der Grippe-Saison in Deutschland, also der Entwicklung akuter respiratorischer Erkrankungen. Aus der jüngsten Charge von rund 200 Proben aus dem Bundesgebiet wurden bloß drei positive Befunde auf das Coronavirus gemeldet, in der Woche zuvor sogar nur einer.

Wird im Main-Kinzig-Kreis genug getestet?
Jede Patientin und jeder Patient, wo es eben medizinisch und epidemiologisch notwendig ist, wird getestet, derzeit vor allem im Testzentrum der Kassenärztlichen Vereinigung. Das bedeutet gleichzeitig, dass nicht jeder, der sich „grippig“ fühlt, auch einen Test vermittelt bekommt; es wird priorisiert. Die Entscheidungen treffen die Kassenärztliche Vereinigung (KV) und das Gesundheitsamt des Main-Kinzig-Kreises beziehungsweise der behandelnde Arzt, wobei das Robert-Koch-Institut die leitenden Kriterien in den vergangenen Tagen lagebedingt immer wieder angepasst hat. Zuständig für die Durchführung der Testungen sind die Vertragsärzte der KV Hessen. Die Kreisspitze des Main-Kinzig-Kreises fordert von der Kassenärztlichen Vereinigung eine Ausweitung dieser Tests. Hintergrund ist, dass natürlich bei einer begrenzten Zahl täglicher Tests die Risikogruppen – Ältere, chronisch Kranke – und medizinisches Personal Vorrang haben vor den Jüngeren ohne schwere Symptomatik. Letztere würden dann aber in immer größerer Zahl gar nicht erfasst, so die Befürchtung des Main-Kinzig-Kreises.

Ist das nicht problematisch, nicht jedem kleinsten Verdacht per Test nachzugehen?
Das kommt stark auf das Verhalten des Einzelnen an, ist jedenfalls nicht gänzlich unproblematisch, was aber im Übrigen für jede ansteckende Krankheit gilt. Wenn eine Person aus dem Skiurlaub in den Main-Kinzig-Kreis zurückkehrt, sich unverzüglich in die häusliche Isolation begibt und dann Erkältungssymptome entwickelt, ist das Wichtigste, dass sich diese Person von anderen fernhält, und zwar strikt für die vollen 14 Tage. Angesichts der meist milden Krankheitsverläufe bei Covid-19 ist es dann für den Einzelnen nicht wesentlich zu wissen, ob er nun genau das hatte oder doch eher Grippe oder einen anderen Infekt. Und nicht jedes Krankheitsgefühl ist gleich Covid-19. Entscheidend ist die eigenverantwortliche, konsequente, dauerhafte Beschränkung in den sozialen Kontakten, im Zweifel also: daheim bleiben. Mehr Testkapazitäten werden aus Sicht des Kreises dennoch benötigt, um hier tatsächliche Covid-19-Erkrankte zu erkennen und die Weiterverbreitung über das Kontaktumfeld zu unterbinden. Vor allem für Personal aus Pflege, Praxen oder Kliniken, das unmittelbar am Patienten arbeitet und nur milde Symptome im Bereich der Atemwege hat, ist eine schnelle Testung äußerst wichtig. Im Main-Kinzig-Kreis ist Letzteres derzeit uneingeschränkt sichergestellt.

Meldet der Main-Kinzig-Kreis die Fälle, bei denen Bürgerinnen und Bürger Covid-19 überstanden haben?
Der Main-Kinzig-Kreis gibt bekannt, wenn und wie viele Menschen aus der häuslichen Isolierung entlassen wurden. Das war schon beim ersten Fall aus Hanau so, der am 3. März gemeldet wurde. Zunächst erfolgt aber über das Gesundheitsamt in jedem Fall eine fachliche Einschätzung des gesundheitlichen Zustands. Sind die Erkältungssymptome noch nicht gänzlich auskuriert, wird die häusliche Isolierung verlängert. Insofern kann die gemeldete Zahl der Coronavirus-Fälle von 14 Tagen zuvor von der tagesaktuellen Zahl jener Fälle abweichen, die offiziell wieder in den normalen Alltag entlassen werden.

Foto: Aus den Testlaboren sind dem Main-Kinzig-Kreis mittlerweile mehr als 100 positive Befunde auf Covid-19 gemeldet worden.


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