Sommer 2022 viel zu warm und zu trocken

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Der Sommer 2022 liegt hinter uns, die vielerorts drückende Hitze und wochenlange Dürre sind überstanden. Zum heutigen meteorologischen Herbstbeginn zieht das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) eine erste, vorläufige Bilanz: Die Sommermonate waren in Hessen viel zu heiß und zu trocken. Nach einem vergleichsweise kühlen und feuchten Sommer 2021 reiht sich das Jahr 2022 nahtlos ein in die Abfolge der Hitzesommer 2015, 2018, 2019 – in Sachen Hitze liegt der Sommer 2022 nur knapp hinter dem Rekordjahr 2003.



„Ausgeprägte Dürre, leidende Vegetation, Niedrigwasser und trocken gefallene Quellen und Bäche, schwierigste Voraussetzungen für die Landwirtschaft und Waldbrände – was wir als Extremsommer empfinden, ist nicht bloß ein weiterer Ausreißer nach oben, sondern ein Sommer im Klimawandel, wie er in Zukunft normal sein wird,“ so HLNUG-Präsident Prof. Dr. Thomas Schmid. „Zur Mitte des Jahrhunderts werden solche Sommer keine Ausnahme, sondern eher die Regel sein, wenn wir nicht endlich energisch mehr fürs Klima tun – das sollte mittlerweile jedem klar sein.“

Die Daten im Einzelnen:

Temperatur und Niederschlag (Datenquelle: Deutscher Wetterdienst)

Schon im Mai war es vergleichsweise zu warm, dies setzte sich in den Sommermonaten Juni, Juli und August fort. Die größten Abweichungen nach oben wurden im August gemessen. Die mittlere Temperatur im betrachteten Zeitraum (Juni bis August 2022) betrug 19,5 ˚C – vergleicht man diese Zahl mit der international verwendeten Referenzperiode 1961-1990, war es 3,3 Grad wärmer als im langjährigen Mittel (16,2 ˚C). Der Sommer 2022 war nach 2003 (19,8°C) der zweitwärmste in Hessen seit Aufzeichnungsbeginn, laut Deutschem Wetterdienst wurde mit 56 Sommertagen über 25°C ein neuer Rekord erreicht (Quelle: DWD). Auch der August 2022 war der zweitwärmste August in Hessen seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1881 (landesweiter Mittelwert 20,8°C) und liegt damit nur sehr knapp hinter dem wärmsten August in Hessen im Jahr 2003 (20,9°C). Der Mittelwert der Referenzperiode 1961–1990 für August liegt bei 16,4°C.

Im Sommer 2022 fielen hessenweit insgesamt 87 mm Niederschlag, was gegenüber dem Mittelwert der Referenzperiode 1961-1990 (222 mm) 60 Prozent weniger Regen bedeutet. Damit war 2022 der trockenste und mit 849 Stunden (1961–1990: 586 Stunden) auch der sonnigste Sommer in Hessen seit Messbeginn. Der trockenste Monat war der August, hier wurde mit hessenweit 16 mm nur etwa ein Viertel der üblichen Regenmenge (1961-1990: 70 mm) gemessen. Laut Deutschem Wetterdienst war Hessen diesen Sommer das zweitniederschlagsärmste Bundesland (Quelle: DWD).

Endgültige Auswertungen für September liegen noch nicht vor, jedoch wurden bisher (20.09.2022) im Mittel in Hessen 93 mm Niederschlag gemessen. Damit wurde der mittlere monatliche Niederschlagswert von 59 mm in weiten Teilen Hessens um mehr als 50 Prozent überschritten. Der September 2022 fiel also bisher deutlich zu nass aus.

Detaillierte Informationen zur aktuellen Witterung in Hessen im Vergleich zum beobachteten Klima der Vergangenheit (Daten ab 1881) lassen sich als Zeitreihen und Karten über das neue Klimaportal Hessen abrufen (klimaportal.hlnug.de).

Auswirkungen auf die Oberflächengewässer in Hessen

Niedrigwasser in Flüssen und Bächen

Infolge des wenigen Regens waren Wasserstände und Durchflüsse in Hessen während der Sommermonate 2022 sehr niedrig. Bereits im Mai floss zu wenig Wasser ab, im Juni lag der mittlere Durchfluss bei nur 43 Prozent der Vergleichsmenge für Juni. Im Juli war die Wassermenge in den Gewässern nur noch halb so groß, im August wurde an den Pegeln nur noch ein Drittel der Durchflüsse gemessen.

Spätestens im August stellte sich hessenweit eine ausgeprägte Niedrigwassersituation ein: Etwa 90 Prozent der Flüsse und Bäche wiesen längere Niedrigwasserperioden auf. Kleinere Gewässer fielen in den Oberläufen, insbesondere im Niddaeinzugsgebiet, über längere Zeit trocken. Bemerkenswert ist, dass sich die Niedrigwassersituation 2022 im Vergleich zum Trockenjahr 2018 schon relativ früh, nämlich ab Mai, abzeichnete.

Die Niederschläge im September haben die Situation für die Oberflächengewässer geändert. Am 15. September wiesen die meisten Pegel (70) mittlere Durchflüsse (MNQ-MQ) auf, 28 Pegel, vor allem in Süd- und Mittelhessen führten erhöhte Wassermengen. Allerdings gingen die Wassermengen infolge der langen Trockenperioden schnell wieder zurück. Aktuell (21. September) liegen die Durchflüsse wieder an ca. 30 Pegeln im Niedrigwasserbereich.

Talsperren und Seen

Der Inhalt der großen Talsperren wird nicht nur durch das Niederschlagsgeschehen, sondern auch von der Talsperrensteuerung beeinflusst. Die großen Talsperren, Eder- und Diemeltalsperre, wurden im Sommer zur Stützung der Oberweser abgelassen. Ende August war die Edertalsperre nur noch zu 15 Prozent gefüllt.

Chemisch-physikalische und biologische Beschaffenheit

Die hohen Lufttemperaturen, anhaltende Trockenheit und hohe Sonneneinstrahlung führten im Sommer 2022 vor allem in den Monaten Juni, Juli und August zu hohen Wassertemperaturen. Im Main lagen selbst die Nachtwerte nur wenig unterhalb der 25°C-Marke, die als Orientierungswert für das Wohl von Wasserlebewesen gilt. Langanhaltende Hitze- und Niedrigwasserphasen lösen akute Belastungen aus, besonders kritisch kann es in Verbindung mit einer schlechten Sauerstoff-Versorgung für Fische werden. Eine solche Extremsituation, welche zum Fischsterben führen kann, wurde an den größeren Fließgewässern in Hessen in diesem Sommer jedoch nicht beobachtet.

Durch die hohe Sonneneinstrahlung kam es schon im Frühjahr zu verstärktem Algenwachstum und damit verbunden zu hoher Photosyntheseaktivität. Dies äußerte sich in tagsüber hohen und nachts niedrigen Sauerstoffgehalten. Die pH-Werte erreichten Maximalwerte von 9 und darüber. Solche Extremwerte (Sauerstoffminima, Temperaturmaxima und pH-Werte) wurden vereinzelt schon in den vergangenen Jahren gemessen, außergewöhnlich war jedoch, dass die kritischen Werte von Juni bis August anhielten. Seit Anfang September sinken die Wassertemperaturen. Die Sauerstoffgehalte und pH-Werte haben den unkritischen Bereich erreicht und sind weniger durch Photosyntheseaktivität der Wasserpflanzen geprägt. 

Entwicklung der Grundwasserstände

Seit Mai befinden wir uns im hydrologischen Sommerhalbjahr, das bis Ende Oktober andauert. Während dieser Zeit kommt vom Niederschlagswasser kaum etwas im Grundwasser an, da ein Großteil des Niederschlags wegen der höheren Temperaturen verdunstet und von der Vegetation verbraucht wird. Daher ist das hydrologische Sommerhalbjahr durch fallende Grundwasserstände geprägt, auch bei durchschnittlichen Niederschlagsverhältnissen. 

Aufgrund der andauernden Trockenheit sind die Grundwasserstände in Hessen im Verlauf des bisherigen hydrologischen Sommerhalbjahres verbreitet auf ein niedriges Niveau gesunken. Die aktuelle Grundwassersituation in Hessen ist nicht nur auf den trockenen Witterungsverlauf des Jahres 2022, sondern im Wesentlichen auf das hohe Niederschlagsdefizit des extrem trockenen Jahres 2018 und die trockenen Folgejahre 2019 und 2020 zurückzuführen.

Eine abschließende Sommer-Bilanz zur Grundwassersituation kann erst nach Abschluss des hydrologischen Sommerhalbjahres erfolgen. Eine nachhaltige Erholung der Grundwasserspeicher in Hessen ist erst wieder im kommenden hydrologischen Winterhalbjahr (November bis April) möglich. Um die bestehenden Defizite im Grundwasser auszugleichen, reichen nicht die Niederschläge einiger Wochen, sondern es wären vermutlich zwei neubildungsreiche Nassjahre in Folge erforderlich.

Entwicklung der Bodenfeuchte

Die folgende Beschreibung basiert auf flächenhaften, bundesweiten Modellrechnungen des Bodenfeuchteviewers des Deutschen Wetterdienstes für die Nutzung unter Gras. 

Während die Wasserversorgung der Böden in allen Tiefenbereichen zu Beginn des Sommers ausreichend bis sehr gut war, sorgten der Regenmangel und die zu warme Witterung rasch dafür, dass die Böden mit Beginn der Vegetationsperiode kontinuierlich von oben nach unten austrockneten. Ab Mitte Mai waren die Oberböden (0-10 cm) bereits zu trocken, diese Trockenheit weitete sich aus und erfasste im Laufe des Sommers Bodentiefen bis 60 cm, teilweise auch darunter. Der daraus resultierende, teils extreme Trockenstress wirkte sich landesweit sehr negativ auf die Vegetation und die landwirtschaftliche Ertragssituation aus. Ab etwa Mitte September sorgten die teils ergiebigen Niederschläge für Entspannung.


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