Hierzu blickten Landrat Thorsten Stolz (SPD), Nidderaus Bürgermeister Andreas Bär (SPD), die Leiterin des Diakonischen Werkes Hanau-Main-Kinzig, Pfarrerin Ute Engel und der Präses der Kreissynode, Jörg Otto, aus unterschiedlichen Perspektiven auf Diakonie und diskutierten über Themen wie Profil und Wahrnehmung, Ehrenamt und Finanzierung der Diakonie. Das Podiumsgespräch moderierte Pfarrer Dr. Siegfried Krückeberg.

Sehr anschaulich gaben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorab einen Einblick in ihren Alltag. Aus der Schuldnerberatung, der psychologischen Beratungsstelle, der Essensbank Heldenbergen oder der Jugendberufshilfe hatten sie kurze Geschichten aus ihrem Alltag mitgebracht. Eindringlich wurde die Lage eines Mannes geschildert, den die Schuldverhältnisse, in die er hineingeschlittert war, so sehr belasteten, dass er seit Wochen keine Briefe mehr öffnete. Ohne Beratung und Stabilisierung hätte über kurz oder lang die Obdachlosigkeit gedroht.

„Viele Dinge werden nicht unmittelbar mit Kirche in Verbindung gebracht: die Schuldnerberatung, die Suchtberatung, die Berufsorientierung oder die Tafeln“, sagte Landrat Thorsten Stolz. Und Bürgermeister Bär provozierte die Kreissynodalen mit der Aussage, die Caritas (die vergleichbare Einrichtung der katholischen Kirche, Anm. d. V.) werde seiner Meinung nach stärker als kirchlich wahrgenommen. „Wie kann man dies ändern?“ wollte Moderator Krückeberg daher zum Profil und zur Wahrnehmung der Diakonie von Pfarrerin Ute Engel wissen und setzte damit eine anregende Debatte in Gang. Besprochen wurden Themen wie Profil und Wahrnehmung der Diakonie, ihre Position im Verbund mit anderen Einrichtungen, ihre Finanzierung, ihre Aufgaben und ihr Engagement im Ehrenamt und ihr Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Weitgehender Konsens war, dass Menschen sehr viel häufiger als es vielfach im Bewusstsein ist, Angebote der Diakonie wahrnehmen, die Verbindung zu Tätigkeiten und Trägerschaft der Kirche fällt dagegen weniger ins Auge. Diesen Zusammenhang könnten nur alle, die Angebote tragen, gemeinsam deutlich machen. „Es ist „unser Ding“, sagte Pfarrerin Engel. Jörg Otto betonte den Auftrag, alle Menschen als Gottes Kinder zu sehen und die gemeinsame Haltung, aus der heraus die Hinwendung zu den Menschen stattfinde.

Der Nidderauer Bürgermeister Bär verwies darauf, dass die Diakonie vor 175 Jahren gegründet worden sei, lange bevor sich der Sozialstaat mit seinen Strukturen etabliert habe. Es gäbe parallele Strukturen, dennoch erreiche die Diakonie mehr Menschen und gerade auch solche, die der Staat nicht mehr erreiche. Die Hemmschwelle, sich an eine nicht staatliche Einrichtung zu wenden, sei für viele Bürgerinnen und Bürger sehr viel niedriger, meinte auch Stolz. Der Landrat vertrat zwar die Ansicht, der Staat könne viele Aufgaben ebenso übernehmen, er halte dies dennoch nicht für sinnvoll. Sehr schnell falle ja der Satz: „Das soll doch mal die Gemeinde machen.“ Vielfach könne die Diakonie im Ehrenamt schneller und besser agieren, die Akquise von Spenden und Sponsoren falle einfacher, die Menschen würden zu bürgerschaftlichem Engagement mobilisiert und ermutigt. Hier stimmte Ute Engel zu. Sie sagte, in vielen Dingen reagiere die Diakonie schneller, sei oft Vorreiter, erkenne, wo es fehle und welche Themen aktuell seien.

Was die Finanzierung der Diakonischen Angebote betrifft, sah Präses Otto eindeutig die Kommunen bzw. staatliche Ebenen stärker in der Pflicht. Die Kirchenmitglieder hätten sich in den vergangenen 40 Jahren mehr als halbiert und die nächste Halbierung stehe bevor, so Jörg Otto. „Wir wollen als verlässlicher Partner in den Kommunen zusammenarbeiten, aber wir werden weniger.“ Für Landrat Stolz gibt es auf diese Frage keine pauschalen Antworten. Vor Ort gäbe es beispielsweise viele verschiedene Kooperationen in der Kinder- und Jugendarbeit und weitere kooperative Projekte zwischen Kirche und Kommune. Politik könne und wolle das Grundproblem nicht lösen, das gesellschaftliche Phänomen, dass sich viele Menschen aus der Verantwortung zurückziehen.

Ein gegenteiliges Bild bietet hier die Essensbank Heldenbergen. Etwa 60 Ehrenamtliche, – nicht nur Mitglieder der Kirchengemeinde – versorgen Woche für Woche 182 Erwachsene und 128 Kinder, also 310 Personen mit Lebensmitteln. Dies sind Familien mit Kindern, Alleinerziehende, Rentner, Asyl- und Kriegsflüchtlinge und Menschen, die Bürgergeld erhalten. „Wir kaufen aus Spenden das ein, was gebraucht wird.“ Eine alleinerziehende Mutter von drei Kindern erzählt: „Nach der Trennung kam ich mit meinen Kindern in eine Notlage. Es hilft uns sehr, ohne Scham bei der Essensbank einkaufen zu können.“ Kinder zahlen 50 Cent, Erwachsene ein Euro pro Einkauf. Sobald sie ihre Ausbildung zur Erzieherin abgeschlossen hat, kann sie die Essensbank unterstützen. Die Essensbank in Heldenbergen ist an der Kapazitätsgrenze. Reste, die nicht verkauft wurden, werden abends an die Wartenden verteilt.

Ohne Ehrenamtliche könnten die Kommunen die Betreuung und Integration der Geflüchteten nicht leisten. Innerhalb eines Jahres hat der Kreis etwa 9300 Geflüchtete und Asylsuchende aufgenommen - davon 7000 Menschen aus der Ukraine - und auf die Kommunen verteilt. Das sei eine Riesenherausforderung und nicht vergleichbar mit der Situation 2015/16. Die Kommunen hätten eine „Unterbringungs-Aufgabe“, die insbesondere im Speckgürtel Frankfurts herausfordernd sei. Die Kirche hat sich hier eindeutig positioniert und viele Häuser zur Verfügung gestellt. Wie Otto berichtet, gibt es vor Ort Konflikte, wenn Menschen sich anders verhalten, als dies erwartet wird.

Präses Otto äußerte den Wunsch, dass „wir als Christen mit den Kommunen zusammenarbeiten. In vielen Bereichen haben wir das gleiche Ziel und sind natürliche Partner. Wir sollten vorangehen, das Beste für die Menschen zu suchen.“

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Fotos © Moritz Göbel


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