Lustspiel „Gaulchen, Paulchen und Tilla“

Theater
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Eine defekte Gaspedalrückholfeder des blitzmodernen Imperia spielt eine Hauptrolle in dem Lustspiel „Gaulchen, Paulchen und Tilla“ zu Ehren des 150jährigen Geburtstags des August Gaul, denn sie sorgt dafür, dass aus der kleinen Blitzvisite seiner Berliner Freunde ein langer Besuch wird.



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Paul Cassirer, der damals bestimmende „Kunstzar“ Berlins plant mit seiner geliebten Tilla Durieux, einer berühmten Schauspielerin, die Hochzeit, zu der sie den Trauzeugen anfragen wollen. „Gaulchen und Paulchen“ nennt man die beiden Männer in den künstlerischen Kreisen des Hauptstadtmilieus wegen ihrer engen Verbundenheit. Sie war für August Gaul vor allem wirtschaftlich von überragender Bedeutung, denn Paul Cassirer hat die Fähigkeiten des Bildhauers – ebenso wie die vieler anderer Künstler - sicher erkannt und gefördert. Während die beiden Verlobten turteln und planen erleben wir die Mainpromenade in Freizeitlaune und die neunmalkluge und vorlaute Mathilde Hain.

Die defekte Automobilfeder führt den Chauffeur – ein moderner Mensch „ohne Eigenschaften“ - in Diskussionen um Kunst, denn die Kunst der Ingenieure beansprucht zu Beginn des vorletzten Jahrhunderts sehr vehement ihren Platz gleichberechtigt neben der sakralen Kunst, der darstellenden Kunst und der Kunst der Frauen, Männer zu verführen. Tiefgreifende Diskussionen wurden und werden bis heute zwischen den Großauheimer/innen vor allem an der Bahnschranke geführt, und es mischen viele mit: Die Glasersfrau, die Haushälterin des Pfarrers, der Wagner Emil Peukert und der Sohn des Fotografen, dabei hofft der Schrankenwärter Otto immer noch, dass der Schmied Hock die Kunst vollbringt ,seine Schranke irgendwann wieder zu öffnen.

Die geheime Frage der Autorin, Ärztin und Psychotherapeutin Laber-Szillat nach dem „Warum machst du so viele Tiere, August?“ hört man in allen Szenen heraus. Bei den Gesprächen zwischen Gauls Vater Philipp, seiner Stiefmutter Anna-Maria und seiner Schwester Emmachen vermuten diese, dass der frühe Tod seiner Mutter den kleinen Jungen dazu brachte, Trost bei Tieren zu suchen. Auch die Arztfrau Hermine Kihn erinnert sich gut an ihren kleinen Nachbarsjungen und Spielkameraden und dessen Liebe zu den einheimischen Tieren. Vielleicht umgeht Gaul damit aber auch die Antwort nach den dringenden sozialen und politischen Fragen seiner Zeit? Berichtet wird, dass August jahrelang täglich viele Stunden im Berliner Zoo zubrachte und Tierstudien anfertigte, wahrscheinlich verbrachte er dort mehr Zeit als mit seiner Familie. Seine hohe Begabung war schon früh erkannt und gefördert worden, vielleicht verbirgt sich hier auch der Ehrgeiz, das künstlerisch extrem anspruchsvolle Feld der Tierdarstellung zu bewältigen?

Seine alten Schulfreunde, der Wirt Heiner Botzum, der Ziseleur Carl Kronenberger und der Schuhmacher Heinrich Schuler diskutieren, ob die Tiere nicht vor allem hergestellt werden, um der Eifersucht der Ehefrau und anderen erotischen Gefahren aus dem Weg zu gehen. In diesem Kneipengespräch bringen die Kameraden den stillen, zurückhaltenden August Gaul zum Reden und stellen auch sich dar: Männer in den besten Jahren zwischen 40 und 50. Die Komödie führt in lustigen Anekdoten durch die Zeit um 1910, stellt die beiden Heimaten des Künstlers dar, das Industriedorf seiner Eltern und das großbürgerliche unruhige Berlin.

Als die Gaspedalrückholfeder wieder repariert ist, endet der beschauliche Augenblick und das Jahrhundert nimmt wieder Fahrt auf: Unruhen, Revolutionen und Kriege kündigen sich an, die Roten fordern gleiche Rechte, ihnen gibt der Arbeiter Ferdinand und die Arbeiterinnen Anna und Margret ihre Stimme, als ein krachendes Feuerwerk über der Wolfgänger Munitionsfabrik tobt und die Gelben und die Grünen ebenfalls auf die Bühne treibt. Mit dem staatstragenden Feuerwehrmann Gustav bringen sie das Theaterstück zu einem furiosen Abschluss.

22 Schauspieler und Schauspielerinnen zwischen 10 und 80 Jahren unter der Regie des Oliver Nedelmann von Nedelmann&Theater, Urberach, und der künstlerischen Gestaltung der Grafikdesignerin Margot Kreuder haben seit Januar 2019 viel Spaß bei der Probe. Joachim Katzmann baut mit anderen an den Kulissen. Vorstände des Heimat- und Geschichtsvereins und des Förderkreis Kultur Großauheim übernehmen die Organisation und sind an der Bühnentechnik aktiv. Die Formationsgruppe des Tanzclubs, das Männerquartett, die Pfadfinder St. Georg und die DRK-Ortsgruppe sind ebenfalls eingebunden. Historische Brillen spendiert der Optiker Stamm.

Die Schirmherrin Frau Beate Funck unterstützt uns und die Stadt Hanau stellt neben den Räumlichkeiten und dem Sachverstand des Fachbereiches 4, Martin Hoppe und Wolfgang Kischel und auch wohlwollend die finanziellen Möglichkeiten zur Verfügung, diese werden hoffentlich noch durch private Spender erweitert, so dass es zu einer runden und gelungenen Aufführung kommen kann.

Am 26. und 27.10. ist es in der Lindenauhalle gern gesehen, wenn auch das Publikum sich in zeitgenössischem, wilhelminischen Gewande oder wenigstens mit Batschkappe oder Zylinder entsprechend dem Jahr 1910 präsentiert. Alle Kostümierte, die Cosplay (Kunstwort aus Costume und play) nicht nur den Fans der modernen Literatur überlassen wollen, sind herzlich eingeladen, evtl. auch als Pinguin, Löwe etc. zu kommen. Solchen fröhlichen „Mitspielern“ spendieren wir einen Eintritts-Sekt. Außerdem wird in der Halle durch den Förderkreis Kultur Großauheim auch für Imbiss und Getränke reichlich gesorgt.

Hoffentlich pünktlich zur Theater-Aufführung wird der Heimat- und Geschichtsverein Großauheim e.V. seinen Band „Großauheimer Wurzeln 4“, der sich ausschließlich mit August Gaul beschäftigt, vorlegen können. Eintrittskarten erhalten Sie ab dem 15. August 2019 und sie kosten im Vorverkauf 8€ und an der Abendkasse 10€. Vorverkaufsstellen sind die Einhornapotheke (06181 – 951851, John-F.-Kennedy-Str. 26 ) und Rochusapotheke (06181 -54251, Hauptstr. 1) Augenblick Optik Stamm (06181-573423 Hauptstrasse 26, AiA. oder über Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.


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