Neue Schweizer Glücksspielregeln: Gibt es Folgen für die EU?

Unternehmen
Typographie
  • Smaller Small Medium Big Bigger
  • Default Helvetica Segoe Georgia Times

In der Schweiz tritt ab 2019 eins der strengsten Glücksspielgesetze Europas in Kraft. 72,9 Prozent der zur Abstimmung berechtigten Schweizer haben sich in einer Volksabstimmung am zehnten Juni 2018 für das Gesetz ausgesprochen.



logoanzeigeVereinfacht ausgedrückt, sperrt es den schweizerischen Glücksspielmarkt on- wie offline für Anbieter, die nicht mit einer Spielbank-Konzession in der Schweiz präsent sind. Rechtlich wird damit der Schweizer Markt für ausländische Onlinecasinos geschlossen. Inwieweit dieser Ausschluss technisch funktioniert, bleibt zwar abzuwarten. Allerdings kann der Schweizer Beschluss bereits jetzt Auswirkungen auf die Entscheidungsfindung in den einzelnen EU-Ländern haben. Die haben nämlich oft keine klare Regelung für ihren Glücksspielmarkt und bieten reichlich Grauzonen, in denen sich diverse Anbieter tummeln.

Glücksspiel in der Schweiz – ein paar Zahlen

Offiziell gibt es bisher keine Schweizer Onlineanbieter für Glücksspiel. Zumindest vergibt der Alpenstaat keine Lizenzen. Das bedeutet natürlich nicht, dass das Spiel in Onlinecasinos für Schweizer unmöglich ist. Das beweisen Seiten wie Onlinecasinos-Schweiz.com, die für Schweizer zugängliche Online-Casinoangebote miteinander vergleichen, sehr schnell. Die Auswahl ist groß. {jathumbnail off}

Laut Angaben des Schweizer Casino Verbands erzielen ausländische Onlinecasinos in der Schweiz jährlich einen Bruttospielertrag von 250 Millionen Franken. Vergleicht man das beispielsweise mit Deutschland, ist der Betrag gering. In der Studie „Die Digitalisierung des Glücksspiels“ vom Handelsblatt Research-Institute ist von einem deutschen Onlinespielmarkt 2015 mit einem Bruttospielertrag von 2,1 Milliarden Euro die Rede. Die Tendenz scheint in beiden Ländern aber dieselbe zu sein: Ein nicht unerheblicher Teil des Glücksspiels im Land verlagert sich ins Internet.

Problematisch wird das beispielsweise für die 21 Spielbanken in der Schweiz. Das gilt insbesondere, wenn man – wie der Große Casino-Report der Zeitung Blick – von einem nicht sehr spielfreudigen Schweizer Volk ausgeht. Die Zahl von 21 Spielbanken ist dafür relativ hoch. Zum Vergleich: In Österreich, wo ungefähr dieselbe Anzahl an Menschen wie in der Schweiz lebt, gibt es nur zwölf Spielbanken. Die Schweizer Spielbanken erwirtschafteten 2016 einen Betrag von 690 Millionen Franken. Das berichtet die Website Careplay.ch. 690 Millionen Franken entsprechen etwa 607 Millionen Euro.

Careplay.ch ist die Onlineheimat des Labels Careplay, das als ein von der Hochschule Luzern entwickeltes Sozialkonzept der Eindämmung sozialschädlicher Auswirkungen von Glücksspiel dient. Auftraggeber des Konzepts waren die Grand-Casinos Luzern, Bern und Baden und das Casino Neuenburg. Ganz allgemein gliedert sich die Spielbanklandschaft der Schweiz in Spielbanken mit A- du mit B-Konzession, wobei die Häuser mit B-Konzession maximal 250 Automatenspiele und nur drei Arten von Tischspielen anbieten dürfen.

Das neue Geldspielgesetz wird viel verändern

casinoch1

Laut dem neuen Schweizer Geldspielgesetz haben die Schweizer Spielbanken in Zukunft die Erlaubnis, auch im Internet Spiele wie Roulette, Black Jack und Poker anzubieten. Grundsätzlich erhalten solch eine Erlaubnis nur Schweizer Unternehmen mit einem Sitz in der Schweiz. Reine Onlinecasino-Anbieter sind nicht zugelassen. Ein besonders kontrovers diskutierter Bestandteil der neuen Regeln waren Netzsperren. Provider haben künftig die Pflicht, die Angebote nicht lizenzierter Onlinecasino-Anbieter zu blockieren. Das wurde teils als ein nicht zu rechtfertigender Eingriff in die Freiheit des Internets gesehen.

Einige fürchteten und fürchten, dass das Beispiel Schule machen könnte, sodass Blockierungen demnächst auch andere Angebote im Internet betreffen könnte. Andere bezweifelten, dass sich die Internetsperren technisch so umsetzen lassen, dass sie tatsächlich wirkungsvoll sind.

Ins Hintertreffen geraten ausländische Onlinecasinos

Das neue Geldspielgesetz bedeutet nicht, dass der Schweizer Glücksspielmarkt für alle ausländischen Unternehmen der Branche gesperrt ist. Die Zeitung Blick weist darauf hin, dass sich neun der 21 Schweizer Spielbanken mehrheitlich in ausländischer Hand befinden. So gehöre das Casino Basel zu 95 Prozent der Groupe Tranchant aus Frankreich und das Casino Mendrisio zu 100 Prozent der Novomatic-Gruppe aus Österreich. Sie können auch künftig an einem streng reglementierten Onlinecasino-Markt der Schweiz partizipieren.

Formal geschlossen ist der Schweizer Markt dagegen für alle Onlinecasinos mit ausländischer Lizenz. Das gilt auch für Casinobetreiber mit EU-Lizenz. Zu den fleißigsten Lizenz-Vergabestellen gehört in der Europäischen Union die Malta Gaming Authority. Wie die verschiedenen Onlineanbieter reagieren, ist noch nicht klar. Die Schweiz ist sicherlich für sie nicht uninteressant. Sie gehört auf der anderen Seite aber auch nicht zu den für sie lukrativsten Märkten.

Denkbar wäre daher ein Rückzug der Anbieter aus der Schweiz ohne allzu großes Murren, zumal eventuell ein gewisser Anteil von Schweizern die Unzulänglichkeiten von Sperren ausnutzen und ihnen erhalten bleiben könnte. Problematischer könnte es für manche der Anbieter dagegen sein, wenn die Schweizer Regeln einen gewissen Vorbildcharakter in der Europäischen Union entfalten.

Eine Entscheidung mit Vorbildcharakter?

Die österreichische Zeitung „Salzburger Nachrichten“ beurteilte das neue Geldspielgesetz der Schweiz als „eines der strengsten Glücksspielgesetze in Europa“. Und während dank des Gesetzes in der Schweiz jetzt zumindest etwas mehr Klarheit über die Regeln des Glücksspielmarktes herrscht, ist die Situation in anderen Ländern deutlich ungeklarer.

Das gilt nicht zuletzt für Deutschland, wo sich Regelungen von Bundesland zu Bundesland unterscheiden. So existiert mit Schleswig-Holstein aktuell ein einziges deutsches Bundesland, das Lizenzen an Onlinecasinos vergibt. Dass nicht unerhebliche Probleme bei der Regulierung des Glücksspiels durch die Länder in Deutschland existieren, schilderte beispielsweise Prof. Dr. Tilman Becker in Form eines sokratischen Dialogs beim Symposium „Glücksspiel 2018“ der Forschungsstelle Glücksspiel an der Universität Hohenheim. Dokumentiert wurde sein Beitrag in einer Sonderbeilage der Zeitschrift für Wett- und Glücksspielrecht.

Mehr Liberalisierung oder mehr Regulierung: Wohin Deutschlands Glücksspielmarkt künftig tendiert, lässt sich derzeit kaum abschätzen. Sollte sich das Schweizer Modell aber als ein Vorbild erweisen, dürfte das manchen Onlinecasino-Betreiber angesichts des deutlich größeren deutschen Marktes schon etwas oder etwas mehr ärgern. Schweden und Norwegen werden aktuell bisweilen als Beispiele für Länder genannt, die sich die Schweiz bereits als Vorbild nehmen. In beiden Ländern sind verstärkt Maßnahmen für eine Regulierung des Glücksspiels geplant. Das könnte den europäischen Glücksspielmarkt deutlich verändern. Und die Schweiz könnte ihren Anteil daran haben.


Ihnen ist etwas Interessantes aufgefallen im Main-Kinzig-Kreis? Schreiben Sie uns an info@vorsprung-online.de


Anzeige
Anzeige
Anzeige
Anzeige

online werben

Anzeige
Anzeige
Anzeige
Anzeige
Anzeige

vogler banner

Anzeige

vogler banner

Anzeige

Online Banner 300x250px MoPo 2