„Viele Menschen unterschätzen den Pflegeberuf“

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„Es ist der schönste Beruf, den man haben kann“, sagt Elisabeth Gottschalk über die Pflege – und das mit einer Überzeugung, die ihr wohl jeder abnimmt. Entsprechend geradlinig liest sich auch der Lebenslauf der langjährigen Leiterin der Akademie für Gesundheit in Gelnhausen. Bis zu ihrem Vorruhestand hat sie 45 Berufsjahre im pflegerischen Bereich verbracht, davon 30 Jahre in pädagogischer Tätigkeit. Sie blickt zurück auf eine Laufbahn, die von vielen persönlichen wie schulischen Entwicklungen geprägt war.



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Mit über 200 Auszubildenden zählt die Akademie für Gesundheit heute zu den großen hessischen Schulen im Gesundheitswesen.

Bereits als Jugendliche absolvierte die heute 61-Jährige verschiedene ehrenamtliche Pflegepraktika in den Ferien und am Wochenende, unter anderem in der Altenpflege, bevor sie ihre Krankenpflegeausbildung beginnen konnte. Nach dieser hat sie sich auf das Fach Intensivmedizin und Anästhesie spezialisiert und war in diesem Bereich u. a. in leitender Position tätig. Im Jahr 1994 schloss sie eine Weiterbildung ab, die sie sowohl für Aufgaben in der Pflegedienstleitung als auch für die Unterrichtstätigkeit an Schulen für Pflegeberufe qualifizierte. Diese Doppelqualifikation stellte eine entscheidende Wendung dar: „Ich habe festgestellt, dass mir neben dem Führen und Leiten vor allem das Unterrichten große Freude macht“, erzählt Gottschalk. Daraufhin war sie fortan nicht nur als Lehrerin in der Fachweiterbildung Intensivpflege und Anästhesie tätig, sondern schloss im Jahr 2003 auch einen berufsbegleitenden Studiengang Pflegepädagogik ab. Im Jahr 2005 begann Gottschalk ihre Lehrtätigkeit an der Schule für Pflegeberufe der Main-Kinzig-Kliniken, der heutigen Akademie für Gesundheit. Bereits nach sechs Monaten übernahm sie die stellvertretende Schulleitung und im Jahr 2009 die Leitung der Schule. Es folgte ein weiteres Studium, nämlich der Masterstudiengang Schulleitungsmanagement, der sie inhaltlich auf die Führungsaufgaben der Bildungseinrichtung vorbereitete.

Rückblickend sei die Parallelität aus Studium und Leitungstätigkeit zwar eine große Herausforderung gewesen, sagt Gottschalk, jedoch boten sich ihr nicht nur ein wertvolles Netzwerk, sondern auch zahlreiche thematische Überschneidungen. Sie nennt als Beispiel das Thema Lehrkräftemangel im pflegepädagogischen Bereich, welches sie zu dieser Zeit sehr beschäftigt habe und dem sie auch ihre Masterarbeit widmete. Bald darauf erstellte sie das Konzept „Vom Praxisanleiter zum Pflegelehrer“, welches die Unterstützung interessierter Praxisanleiter in den Mittelpunkt stellt. Aufgrund der schon bald sichtbaren Erfolge der Bemühungen prägt das Konzept bis heute die Personalentwicklung der Akademie.

Neben den umfangreichen Planungs- und Verwaltungsaufgaben trieb Gottschalk vorausschauend und mit großem Ehrgeiz ihre Herzens- und Schwerpunktthemen voran. Stark ausgefüllt habe sie beispielsweise die Planung des Bildungshauses, welches im Jahr 2011 bezogen wurde. „Das war eine sehr kreative Phase, ich konnte mich mit meinen Ideen stark einbringen“, so Gottschalk, die davon überzeugt ist, dass eine schöne und inspirierende Lernumgebung sowohl für Auszubildende als auch für Mitarbeitende wichtig ist. Im Jahr 2012 startete das Projekt „Schüler leiten eine Station“, um die praktische Ausbildung zu optimieren. „Hier führen wir die Auszubildenden an Aufgaben heran, die sie später im Rahmen der praktischen Prüfung zeigen sollen. Das ist sehr gewinnbringend für alle“, erinnert sich Gottschalk. Ebenfalls große Unterstützung bietet das im Jahr 2018 initiierte Lerncoaching-Konzept: „Dies ist ein Angebot für Auszubildende mit erhöhtem Lernbedarf. Denn viele unterschätzen, was man im Pflegeberuf lernen und leisten muss. Wir möchten gemeinsam hinsehen und Hilfestellung anbieten, mit dem Ziel, möglichst viele, die mit der Ausbildung begonnen haben, bis zum Ende erfolgreich zu begleiten.“

Auch in technischer Hinsicht hat sich die Akademie für Gesundheit enorm weiterentwickelt. Bereits seit dem Jahr 2018 arbeiten Auszubildende und Lehrkräfte mit Tablets. „Wir konnten somit im Zuge der Corona-Pandemie relativ schnell in ein komplett digitales Unterrichtsformat umswitchen“, sagt Gottschalk. Dass die Tablets mittlerweile in allen Kursen ganz selbstverständlich eingesetzt werden und nach bestandener Prüfung in das Eigentum der Auszubildenden übergehen, komme bei den jungen Menschen gut an. Zudem habe die Akademie im Laufe der Jahrzehnte ihr Kursangebot permanent angepasst und erweitert. So werde beispielsweise seit drei Jahren eine Pflegeausbildung in Teilzeit angeboten, und auch in den Ausbildungsbereichen OTA (Operationstechnische Assistenz) und ATA (Anästhesietechnische Assistenz) fanden Erweiterungen statt. Im Jahr 2009 zählte die Akademie 184 Auszubildende, während dies im Jahr 2021 mehr als ein Drittel mehr waren, nämlich 234 Personen.

„Es ist wichtig, dass jeder, der Interesse an einem pflegerischen und Gesundheitsberuf hat, die Möglichkeit bekommt, einen solchen zu erlernen“, findet Gottschalk. Persönlich bedauere sie es, dass der Pflegeberuf aktuell nicht das beste Image habe und wünsche sich den Mut der Politik zum kompletten Systemwechsel, um die Arbeitsbedingungen für Pflegende zu verbessern. „Der neue Koalitionsvertrag bietet gute Ansätze“, zeigt sie sich zuversichtlich. Zudem freue sie sich über die Umsetzung der Ausbildungsreform, denn die generalistische Pflegeausbildung sei ihrer Meinung nach längst überfällig, gerade im Hinblick auf die demografische Entwicklung: „Pflegende im Krankenhaus brauchen mehr Altenpflegekompetenz, weil sie überwiegend ältere Menschen versorgen. Und umgekehrt brauchen die Kolleginnen und Kollegen in der Langzeitpflege mehr Krankenpflegekompetenz, weil die Menschen, die dort versorgt werden, auch zunehmend kränker sind und einen medizinischen Krankenpflegebedarf entwickeln.“ Bereits seit mehreren Jahren arbeitet die Akademie für Gesundheit eng mit dem Aus- und Fortbildungsinstitut für Altenpflege in Rodenbach zusammen und stellt über diese Kooperation die praktische Ausbildung sicher. Es sei nur zu begrüßen, wenn dies in den kommenden Jahren intensiviert und das geplante Fusionsprojekt Fahrt aufnehmen werde, so Gottschalk.

Besonders positiv denkt die Akademieleiterin an die Zusammenarbeit des gesamten Lehrerkollegiums zurück. Dieses sei bei aller Unterschiedlichkeit an Qualifikationen und Kompetenzen nicht nur sehr leistungsbereit und kreativ, sondern arbeite auch sehr harmonisch miteinander. Daher sei sie immer gern zur Arbeit gegangen, sagt Gottschalk, der es immer ein besonderes Anliegen war, auf ruhige und sachliche Art mit Menschen im Gespräch zu bleiben – und das auf Augenhöhe, ob mit Kollegen oder Auszubildenden. Außerdem war ihr die persönliche Weiterentwicklung der Lehrkräfte wichtig: „Es geht darum, genau hinzusehen: Wo wären die Menschen gut aufgehoben, welche Aufgabe könnten sie begleiten?“ All diese Sozialkontakte vermisse sie seit ihrer Berentung, auch wenn sie die freie Zeit sehr genieße. Sie habe vor, Französisch lernen und dies dann im nächsten Jahr im Rahmen einer Reise anzuwenden. Zudem hat sie beim Regierungspräsidium Darmstadt das Ehrenamt der Stellvertretenden Prüfungsausschussvorsitzenden für die Aus- und Weiterbildung übernommen. Es wird deutlich: Das Lernen und die Pflege werden auch weiterhin einen Stellenwert im Leben von Elisabeth Gottschalk haben.


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