Ukraine-Krieg: Mittelständler warnen vor Gasembargo

Karl Wolf.

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„Wenn der Gashahn der russischen Pipeline abgedreht wird, dann wird der Betrieb bei einigen mittelständischen Unternehmen ebenfalls abgedreht.“ So drastisch drückt es Karl Wolf von Wolf Liegenschaften in Hanau aus. Wolf ist Mitglied der Wirtschaftsinitiative Mittelstand Main-Kinzig (WI) und zeigt sich besorgt über die aktuelle Ukraine-Krise und die drastischen Auswirkungen auf den Mittelstand, sollte es zu einem Energieembargo kommen.



Auch andere Mitgliedsunternehmen der WI fordern die politischen Entscheider in Berlin und auf Landesebene zu schnelleren Entscheidungen und besserer Unterstützung auf. Sie berichten über Probleme, die erhebliche Auswirkungen für die eigenen Unternehmen, aber auch auf Kundenseite haben werden. Lieferengpässe und stetig steigende Rohstoffpreise beeinträchtigen die Produktion, und die Sanktionen verschärfen die Versorgungslage zusätzlich. Viele Unternehmen stehen auch in der Rhein-Main-Region schon mit dem Rücken zur Wand.

„Ich fordere mehr Aktivität und bessere Energiekonzepte. Es kann nicht sein, dass unsere Gasspeicher nahezu leergelaufen sind. Ich erwarte von der Politik, von der Bundesnetzagentur ein klares und umfangreiches Energieprogramm, dass uns in den nächsten Jahren Versorgungssicherheit bietet“, sagt Karl Wolf mit Nachdruck. Ihn regt vor allem auf, dass die Gasspeicher in Deutschland aktuell nur noch zu 20 bis 30 % gefüllt sind, und die Bundespolitik hier möglicherweise sehenden Auges in die Versorgungsnot mit Erdgas hineingeschlittert ist, ohne rechtzeitig zu handeln und einen Notfallplan aufzustellen. „Die Metallveredelungsfirma meiner Frau und meinen beiden Schwagern in Seligenstadt, die LKS Kronenberger, wäre beispielsweise direkt von einem Gasembargo betroffen. Zur Hochglanzveredlung von Oberflächen oder zum galvanischen Verzinken benötigt der Betrieb rund um die Uhr eine sichere Gasversorgung zum Heizen der Anlagen, die Maschinen dürfen nicht stillstehen. Wenn der Gashahn zugedreht wird, stehen 130 Mitarbeiter bald auf der Straße. Daher auch ein klares Nein zu einem Energieembargo.“ Karl Wolf fordert, dass die verantwortlichen Politiker in Berlin endlich handeln und vor allem die betroffenen mittelständischen Unternehmen nicht vergessen zu unterstützen, denn die derzeitigen Rahmenbedingungen für die Industriebetriebe in Deutschland sind denkbar schlecht.

Baugewerbe: Betonstahl mittlerweile doppelt so teuer

Auch die Schick Industriebau GmbH ist bereits von Lieferengpässen speziell bei der Belieferung von Betonstahl, Holz und Dämmmaterial betroffen. Schick ist spezialisiert auf Hoch- und Tiefbau, den Industriebau und den Betonfertigteilbau. In Hanau ist das Unternehmen mit 110 Mitarbeitenden aktiv und betreibt mit der Schick Academy ein eigenes Zentrum für Weiterbildung im Bauwesen. Edgar Endres, Mitglied der Geschäftsleitung, sagt: „Noch können wir alle unsere Leistungen und Lieferverträge auf unseren Baustellen einhalten. Aber wir haben einen Fuhrpark mit über 60 modernen LKW. Und da macht sich der Krieg in der Ukraine an der Zapfsäule schon sehr bemerkbar. Auch die Preise für Rohstoffe sind extrem gestiegen. Die Tonne Betonstahl kostet mittlerweile fast doppelt so viel wie Ende letzten Jahres. Das Problem für uns ist dabei, dass wir diese hohen Kosten aufgrund bestehender Verträge nicht eins zu eins an unsere Kunden weitergeben können.“ Vor allem auf das nächste Jahr blickt er pessimistisch auf die Bauwirtschaft, da durch die erwarteten hohen und steigenden Bauzinsen viele Privatleute nicht mehr neu bauen werden, weil die Kosten explodieren werden. „Wir hoffen aber, dass die staatlich geförderten Baumaßnahmen wie Krankenhäuser, Schulen oder Kindergärten weiter durchgeführt und nicht eingefroren werden. Wünschenswert wäre auch, dass in Berlin über eine Aussetzung der Gewerbesteuer nachgedacht wird.“ Immerhin gäbe es seitens des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung schon Handlungsanweisungen für die Bauindustrie bei Neuaufträgen und bestehenden Aufträgen im Umgang mit der Rohstoffversorgung und Verhalten bei Lieferengpässen. „Aber da wünsche ich mir noch deutlich mehr Aktivitäten und schnellere Entscheidungen seitens der Politik. Bürokratieabbau und schnellere Finanzierungshilfen würden unserem Gewerbe auch schon sehr gut helfen. Hier muss die Wirtschaftsinitiative Mittelstand noch lauter werden und die Politikerinnen und Politiker gewissermaßen an die Hand nehmen und auf die Probleme des Mittelstands in unserer Region aufmerksam machen.“

Wärmebehandlung von Metall: Energiepreise und Lieferengpässe sind brisant

Von einer möglichen Energieverknappung durch ein Embargo ist die Rohde Schutzgasöfen GmbH aus Hanau zwar nicht unmittelbar betroffen, aber die Kunden trifft es mit Wucht. Die Firma produziert mit 25 Mitarbeitern spezielle elektrisch oder gasbeheizte Anlagen zur Wärmebehandlung von Metallteilen, die schon mal über 100 Kubikmeter Füllvolumen aufweisen können. Geschäftsführer Jörn Rohde sagt: „Wir produzieren thermochemische Wärmebehandlungsanlagen für die Industrie. Nahezu jedes Metallteil in unserem Alltag, ob beim Besteck, dem Windrad oder beim Auto, muss wärmebehandelt werden. Unser Produktionsprozess, die Metallbearbeitung und der Bau der Anlagen sind dabei weniger von der Gasversorgung abhängig. Aber der Betrieb der Anlagen ist ein Problem, denn zur Behandlung der Werkstücke müssen die Anlagen kontrolliert erwärmt, je nach benötigten Verfahren auf Temperaturen zwischen 500 bis 1000 °C mehrere Stunden gehalten und geregelt wieder abgekühlt werden. Die hohen Energiepreise und die Energieversorgung sind daher ein hochbrisantes Thema für unsere Kunden.“ Während für seine Kundschaft das Betreiben der Anlagen – viele mit Erdgas - schon jetzt zum existenzgefährdenden Kostenträger wird, hat Rohde durch den Ukraine-Krieg ein viel größeres Problem bei der Beschaffung von Material. „Wir benötigen hitzebeständigen, hochfesten Stahl für den Bau unserer Anlagen. Und der kommt auch aus der Ukraine oder Russland. Hierdurch und aufgrund der steigenden Energiekosten bei den Stahlproduzenten hat sich der Preis von bislang 10 Euro pro Kilogramm (mit steigender Stahlgüte) auf 25 bis 30 Euro seit Jahresbeginn teilweise verdreifacht. Unsere Anlagen werden dadurch erheblich teurer und wir können aufgrund von Lieferengpässen nicht mehr effizient planen.“ Zwar liefert das Unternehmen viele Anlagen ins Ausland, aber der deutsche Markt könnte für sein Unternehmen aufgrund der Situation wegbrechen, da seine deutschen Kunden bald nicht mehr produzieren könnten. Rohde fordert daher mit Blick auf die Wettbewerbssituation und die im Vergleich zum europäischen Ausland viel zu hohen Energiepreise in Deutschland: „Wir können nicht den Wettbewerb einseitig verschieben zu Ungunsten von der deutschen Wirtschaft. Mindestens in Europa muss Chancengleichheit bestehen. Es kann nicht sein, dass unsere deutschen Kunden schon jetzt doppelte Kosten für Energie gegenüber allen Nachbarländern haben, allein der Energiebedarf dieser Kunden frisst schon jetzt bis zu 25 % vom Umsatz auf!“


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