Mehr psychische Erkrankungen durch Pandemie

Dr. Uwe Rapp hat als Chefarzt der Psychiatrie am Bergman Clinics Mathilden-Hospital eine Zunahme psychischer Erkrankungen in der Corona-Pandemie beobachtet.

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Die Weltgesundheitsorganisation hat den 10. Oktober zum internationalen Tag der seelischen Gesundheit ausgerufen. Dr. Uwe Rapp, Chefarzt der Psychiatrie am Bergman Clinics Mathilden-Hosptal in Büdingen weist auf die in den letzten Monaten deutlich gestiegene Zahl an psychischen Erkrankungen hin. Durch die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie hätten vor allem Depressionen bei allen Altersgruppen zugenommen.



„Depressionen und Ängste gehörten bereits vor der Pandemie zu den 25 Erkrankungen mit der größten Krankheitslast“, stellt Rapp fest. Modelle zur Verbreitung von Krankheiten gehen davon aus, dass durch die Corona-Pandemie und die Maßnahmen zur Bekämpfung Depressionen und Ängste um 25 Prozent zugenommen haben. Davon sind besonders auch Kinder und Jugendliche betroffen. Symptome in dieser Gruppe sind Traurigkeit, ein Verlust von Interesse und Freude an Aktivitäten sowie Störungen von Schlaf und Appetit. Angstsymptome zeigen sich häufig in einer unkontrollierbaren Sorge, Angst und Übererregbarkeit.

„Schulschließungen und die mit dem Lockdown verbundene soziale Isolierung haben zu einem Anstieg von psychischen Störungen bei Kindern und Jugendlichen geführt, das sie emotional stark auf die Unterstützung durch Peer-Groups und Mitschüler angewiesen sind“, erläutert Rapp. Dementsprechend hätten psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen zugenommen. Vor COVID-19 wurde bei Heranwachsenden (13-18 Jahre) die Häufigkeit von depressiven Symptomen auf 12,9% und die von Angststörungen auf 11,6% geschätzt. Nach aktuellen Schätzungen ist die Häufigkeit von Depressionen auf 25% und die Häufigkeit von Angststörungen auf 20,5% gestiegen. Bei Essstörungen wie Magersucht und Bulimie ist in dieser Altersgruppe ein unverhältnismäßiges Plus von rund 7% festzustellen. Rapp mahnt, dass die Zunahme von Belastungen und der Verlust stärkender Faktoren wie Freunde, Hobbys oder ein geregelter Alltag zu Gesundheitsgefährdungen führen.

Dieser Grundsatz betrifft auch Erwachsene. Auch bei ihnen war eine Zunahme moderater bis schwerer Depressions- und Angstsymptome während der ersten COVID-19-Welle im Vergleich zu den Vorjahren zu beobachten. Ursachen liegen bei den Erwachsenen häufig im beruflichen Bereich. Finanzielle Belastungen, Einkommensverluste durch Kurzarbeit oder Arbeitsplatzverlust aber auch Mehrarbeit führen zu psychischen Problemen. Rapp weist darauf hin, dass sich diese Folgen von Belastungen auch wirtschaftlich bemerkbar machen. Im zweiten Jahr der Pandemie hätten die Krankenkassen 276 Fehltage je 100 Versicherte wegen psychischer Probleme registriert. Das sei ein neuer Höchststand. Im Vergleich zu den Zahlen von vor zehn Jahren entspreche das einer Zunahme um 41 Prozent. Besonders stark seien davon Beschäftigte im Gesundheitswesen betroffen. Sie müssten sich deutlich häufiger als beispielsweise Mitarbeiter im Einzelhandel oder bei Banken und Versicherungen krank melden. Im vergangenen Jahr entfielen im Gesundheitswesen laut DAK rund 44 Prozent mehr Fehltage auf psychische Belastungen als im Durchschnitt aller untersuchten Branchen.

Schließlich seien auch bei älteren Menschen, die noch einen eigenen Haushalt führen, mehr psychische Störungen als Folge der COVID-19-Pandemie festgestellt worden. Die Häufigkeit belastender depressiver Symptome stieg von 12,5% in der Zeit vor der Pandemie auf 22,6% in der 1. Welle mit einem weiteren Anstieg auf 28,5% in der 2. Welle. „Die Zunahme depressiver Störungen ging mit einem Anstieg der Einsamkeit einher“, erläutert Rapp. „Auch wohlhabendere Senioren klagten über einen stärkeren Rückgang der Lebensqualität und eine zunehmende Einsamkeit.“


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