Konjunktur im MKK: Kein Absturz ist noch kein Aufschwung

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Erst das Coronavirus und dann der Überfall Russlands auf die Ukraine: Langanhaltende Lieferschwierigkeiten von wichtigen Teilen und plötzlich höhere Preise für Strom, Gas, Erdöl und Rohstoffe belasten Verbraucher und Wirtschaft. Die hohe Inflation ist eine Folge dieser Umbrüche. In Summe bedeutet das: Die Nachfrage schrumpft und die Verunsicherung wächst zugleich. Anders formuliert: Seit gut drei Jahren fehlen weitgehend die Voraussetzungen, um die Wirtschaft im Main-Kinzig-Kreis und darüber hinaus zum Erblühen zu bringen.



Viele Auguren sagten vor diesem Hintergrund eine Rezession voraus. Bislang lagen sie falsch, wie das 2022er Wirtschaftswachstum in Deutschland von insgesamt 1,8 Prozent belegt. Aber selbst, wenn die kurzfristige Konjunkturkrise vom Tisch sein mag, so bleibt mittel- bis langfristig dennoch Vieles im Argen. Die Kosten für Energie und Rohstoffe sind jüngst zwar wieder etwas gesunken, liegen aber immer noch viel höher als früher und bremsen den Aufschwung – wie auch der Mangel an Arbeitskräften. Die hohen Preise fördern aber gezwungenermaßen auch viele Innovationen. Indem die Unternehmen die anstehenden Herausforderungen vorsichtig annehmen, sorgen sie ganz ohne staatliche Hilfsgelder dafür, dass die Krise Schritt für Schritt überwunden werden kann.

Die Ergebnisse der aktuellen Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern zum Jahresbeginn 2023 zeigen: Dank der unternehmerischen Findigkeit könnte es gelingen, glimpflich durch die Krise zu kommen und sie auch zu überwinden, allerdings nicht so schnell wie erhofft.

Die aktuellen Lagebewertungen der Unternehmen aus dem Main-Kinzig-Kreis haben sich seit der voran gegangenen Umfrage im Herbst kaum verändert: 26,7 Prozent bezeichnen ihre Situation als „gut“, vor vier Monaten waren es 26,9 Prozent. Bei den „schlecht“-Antworten ergibt sich ein erfreulicher Schwund um 4,1 Prozentpunkte auf nunmehr 12,2 Prozent. Immerhin 61,1 Prozent der Unternehmen bewerten über alle wichtigen Branchen hinweg ihre Geschäftslage als „befriedigend“. Deutlich besser, wenn auch nicht wirklich gut, werden die geschäftlichen Aussichten für dieses Jahr eingeschätzt: Der Anteil der Optimisten steigt seit Herbstanfang von 5,7 auf nunmehr 12,3 Prozent und die Pessimisten schrumpfen binnen vier Monaten von 52,5 auf aktuell 31,8 Prozent. „Der Pessimismus geht deutlich zurück, der Optimismus nimmt aber nur zögernd wieder. Das spricht für eine vorsichtige Erholung“ umreißt IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Gunther Quidde die aktuelle Lage der Konjunktur im Main-Kinzig-Kreis.

Der IHK-Konjunkturklima-Indikator gewichtet die Unternehmensantworten zu Lage und Erwartungen: Die zentrale Kennzahl erzielt mit 96,0 Punkten „einen Wert, der Hoffnung keimen lässt. Wenn keine weiteren Rückschläge eintreffen, könnte sich noch im Jahresverlauf die Konjunktur so erholen, dass ein neuer Aufschwung drin ist“, merkt Quidde an. Aus den insgesamt 180 Unternehmensantworten aus allen wichtigen Branchen und Teilregionen im Main-Kinzig-Kreis lässt sich zudem herauslesen, dass einzelne Branchen bereits wieder deutlich optimistischer sind als viele andere. Bei den für die Region mit ihren vielen Industriearbeitsplätzen so wichtigen Investitionsgüterproduzenten glauben 42,9 Prozent an bessere Zeiten – und niemand an schlechtere. Bei den Finanzdienstleistern ist die Sicht exakt ausgewogen. Im Verkehrsgewerbe gehen 57,1 Prozent von einer Verschlechterung aus und niemand, absolut niemand von einer Verbesserung.

Teile der Industrie hoffen auf Besserung

Es ist also wieder einmal die oft als Umweltsünder geschmähte und oft totgesagte Industrie, die den Schrittmacher für die zaghafte Erholung macht: Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes im Main-Kinzig-Kreis stufen durchgängig ihre Lage, in Teilen auch ihre Erwartungen etwas besser ein als die Gesamtwirtschaft. „Wirklich beachtlich ist, dass unter den Produzenten von Investitionsgütern schon jetzt, zu diesem extrem frühen Zeitpunkt im Konjunkturzyklus, der Optimismus immens hoch ist. Dieser Befund spiegelt zweierlei: Die Erleichterung, dass die Krise nicht weiter um sich greift und die Hoffnung auf eine wirtschaftliche Belebung in den kommenden Monaten. Deshalb sind von diesen Unternehmen mehr Investitionen ebenso beabsichtigt wie die Einstellung weiterer Mitarbeiter. Da diese Unternehmen der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung üblicherweise einige Monate vorauseilen, ist dieses Stimmungsbild ein echter Mutmacher“, bewertet Quidde. Ein Grund für diesen Optimismus ist trivial: Wenn Unternehmen künftig teure Energie einsparen wollen, dann benötigen sie dafür neue Maschinen und Anlagen. „Da kündigen sich neue Geschäftsmöglichkeiten an. Das zeigt, dass es mutige Unternehmerinnen und Unternehmer gibt, die in der Krise ihre Chancen erkennen und nutzen, während andere noch jammern“, erläutert der IHK-Hauptgeschäftsführer.

Aber Achtung: Erfolgreiche Unternehmer sind auch jene, die nicht davor zurückschrecken, konsequent auf steigende Kosten zu reagieren. Dazu gehört auch die Abwanderung ins Ausland. Neben Verlagerungen in die Eurozone wird vor allem über mehr Investitionen in Nordamerika nachgedacht, aber auch China ist noch lange nicht aus dem Rennen. „Das ist auch ein Warnsignal, vor allem an die Bundesregierung!“, betont Quidde und mahnt: „Ungeachtet aller Erfolge, zum Beispiel bei der Stabilisierung der Energieversorgung – wenn auch zu spürbar höheren Preisen – ist es höchste Zeit, vor allem die harten Standortfaktoren in Deutschland erheblich zu verbessern, um insgesamt trotz gestiegener Kosten weiter wettbewerbsfähig zu bleiben.“

Handel und Dienstleister im Krisenmodus

Das für den stationären Einzelhandel enttäuschend verlaufene Weihnachtsgeschäft spiegelt sich in der IHK-Konjunkturumfrage genauso wider, wie die triste Lage in der Gastronomie und in der Verkehrswirtschaft. Ein Ende der Flaute scheint nicht absehbar, da diese wettbewerbsintensiven Branchen nur unter erschwerten Bedingungen in der Lage sind, ihre gestiegenen Kosten an die Endverbraucher weiterzugeben. „Die Kombination von hohen Strom- und Energiekosten auf der einen Seite und sparsamen Verbrauchern auf der anderen zehrt massiv an der Marge“, berichtet Quidde. Lediglich die Großhändler und die Einzelhändler, die das Onlinegeschäft beherrschen, sind etwas weniger pessimistisch. Manche Großhändler dürften es sogar schaffen, gestärkt aus der aktuellen Krise herauszuwachsen.

Uneinheitlich gestaltet sich die Situation im breit gestreuten Dienstleistungssektor: Während die Finanzwirtschaft auf bessere Geschäfte dank steigender Zinsen hofft und zugleich bangt, ob die Anstrengungen zu mehr Digitalisierung reichen, sehen sich viele Unternehmen dieses Wirtschaftszweiges mit einer sinkenden Verbrauchernachfrage konfrontiert.

Die Risiken haben nicht abgenommen

Etwas entspannt hat sich die Auslandsnachfrage, während die Binnennachfrage weiterhin ein deutliches Risiko darstellt. Gleiches gilt für die politischen Rahmenbedingungen im Lande und für die Arbeitskosten.

Schon seit Jahren ist beobachten, dass sich der Arbeitsmarkt von der Konjunktur entkoppelt. Ende Dezember 2022, zum Zeitpunkt der Umfrage, waren im Main-Kinzig-Kreis insgesamt 10.809 Menschen arbeitslos gemeldet, darunter nur 3.135 Personen, die nicht langzeitarbeitslos waren. Die Arbeitslosenquote lag bei 4,7 Prozent. Die Januar-Zahlen fallen nur saisonal bedingt etwas höher aus. „Obwohl die Konjunktur noch nicht besonders rund läuft, fehlen Arbeitskräfte. Deshalb werden die Unternehmen handeln müssen. Dazu gehört auch, arbeitsintensive und teure Produktionen ins Ausland verlagern oder sie zu automatisieren – nicht nur in der Industrie, sondern auch im Handel und im Dienstleistungsgewerbe. Das ist bitter, weil dabei auch Arbeitsplätze wegfallen werden. Das bietet aber auch die Chance, in den Unternehmen Platz für das Neue, das Bessere, das Nachhaltigere zu schaffen. Schon auf mittlere Sicht wird das den Wirtschaftsstandort stärken – und zwar in allen Branchen“, ist sich Quidde sicher.

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