Unsicherheit bremst Konjunktur im Main-Kinzig-Kreis

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Die Konjunktur tritt im Main-Kinzig-Kreis auf der Stelle, obwohl der Preisanstieg gedämpft wird und die Lieferketten wieder stabiler geworden sind. Aber noch nie zuvor hat mehr als die Hälfte aller Unternehmen fünf Standortfaktoren genannt, um die sie sich Sorgen machen. Die Bundespolitik verschärft die vorhandene Unsicherheit bei Verbrauchern und Unternehmen, so dass das eine Belebung der Wirtschaft ausbleibt.



Ein Aufschwung ist vor Anfang 2024 nicht in Sicht. Zu diesem Ergebnis kommt die Industrie- und Handelskammer (IHK) Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern nach Auswertung der Frühjahrsumfrage zur Konjunktur.

Immerhin: Seit Monaten sinken die Preise für Energie. Der Anstieg der Inflation scheint vorerst gebremst. Die staatlichen Subventionen haben die Übertreibungen auf den Märkten gedämpft. Die drei Faktoren förderten den Konsum der Verbraucher und halfen indirekt den Unternehmen über die vergangenen Monate. Und doch gewinnt die Konjunktur nicht an Schwung. Es fehlen Impulse und Anreize für Investitionen und Innovationen, die Unsicherheit nimmt eher zu als ab. Ohne Investitionen der Verbraucher und Unternehmen, ohne Innovationen, ohne finanzielle Solidität, ohne bezahlbare Energie wird das nichts mit dem Aufschwung. Eine moderne, de-carbonisierte, umwelt- und klimafreundliche Volkswirtschaft braucht Rahmenbedingungen, die Investitionen und Innovationen erleichtern. Weder massive Subventionen in neue oder konventionelle Energieträger noch kleinteilige Regelungen, mit denen die Politik den Alltag der Bürger regeln will, können eine solche Trendwende bewerkstelligen. Solange die Politik den Verbrauchern und Unternehmen keine Sicherheit vermittelt, bleibt der Aufstieg aus dem konjunkturellen Jammertal mühsam.

Einschätzungen zu Lage und Erwartungen kaum verbessert

Nur 30,9 Prozent aller antwortenden 162 Unternehmen aus Hanau und dem Main-Kinzig-Kreis stufen ihre Lage als „gut“ ein. Dieser Wert liegt leicht unterhalb der Angaben vom Mai 2022 mit 34,4 Prozent sowie um 4,2 Punkte oberhalb des Werts zu Jahresbeginn. Es gibt wenig Bewegung nach oben. „Dieser Wert enttäuscht. Die Corona-Pandemie ist mittlerweile ausgestanden. Deshalb hatte ich mehr erhofft“, wertet IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Gunther Quidde. Auch bei den „schlecht“-Bewertungen im Stimmungsbild zeigt sich laut Quidde „keine grundlegende Wende zum Besseren“. Mit 13,6 Prozent liegt dieser Wert nur um 1,4 Prozentpunkte besser als im Januar und kaum besser als vor einem Jahr.

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Erwartungen der Unternehmen: Eine „eher günstigere“ Entwicklung erhoffen 17,3 Prozent der Betriebe aus allen wichtigen Branchen im Landkreis. „Das sind nur 6,1 Punkte mehr als vor einem Jahr und lediglich fünf Punkte besser als am Jahresbeginn. Die konjunkturelle Erholung legt eine längere Verschnaufpause ein“, kommentiert Quidde. „Vor einem Jahr zeigten sich dramatische 42,1 Prozent der Unternehmen pessimistisch und bewerteten die künftige Geschäftslage als eher ungünstig, aktuell sind es nur noch 28,4 Prozent. Das ist immer noch kein guter Wert. Aber die ganz große Krise bleibt vorerst aus“, ergänzt der Hauptgeschäftsführer.

Der IHK-Klimaindikator gewichtet die Unternehmensangaben zu Lage und Erwartungen – im Mittel beträgt er 100. Die zentrale Kennzahl erreicht dieses Mal 102,1 Punkte, liegt damit unter dem langjährigen Durchschnitt von 109,7 und enttäuscht damit erneut.

„Entscheidend und verstörend ist aber die Unsicherheit bei den Unternehmen. Sie ist so ausgeprägt wie nie“, betont Quidde: „Seit 2010 fragen wir die Unternehmen, was ihnen Sorgen macht. Inlandsnachfrage, Standortbedingungen und Fachkräftemangel sind fast immer dabei. Diesmal aber kommen noch die Energie- und die Arbeitskosten dazu. Jedes zweite Unternehmen sieht in diesem Bündel Probleme. Die Unsicherheit ist mit Händen zu greifen. Wird sie nicht besser, wird die Konjunktur sich nicht erholen. Hier ist die deutsche Politik gefordert, Vertrauen zu schaffen und Zuversicht zu vermitteln. Ich zumindest nehme nichts davon wahr!“

Blick in wichtige Branchen

Die Industrie prägt die Wirtschaftslandschaft im Main-Kinzig-Kreis. Umso schlimmer, dass sie die Lage etwas schlechter einschätzt als bei der Vorumfrage und sich ihre Erwartungen nur langsam erholen. Auch deshalb sind, abgesehen von dringend erforderlichen Ersatzinvestitionen, kaum Erweiterungen der Produktion geplant. Wenn die Industrie vorsichtig-verhalten vor Ort handelt, so bedeutet das nicht, dass diese Betriebe untätig sind: Die Unternehmensantworten deuten auf eine verstärkte Exportorientierung hin – und in diesem Fall indirekt auf vermehrte Auslandsinvestitionen. Das wird im Landkreis Arbeitsplätze kosten. Wird hierzulande zu teuer produziert oder erscheint die Energieversorgung nicht vertrauenswürdig genug, dann sind Verlagerungen von Produktionen oder eine verstärkte Einbindung ausländischer Zulieferungen die zwangsläufige Folge.

Auch in der Bauwirtschaft, im Handel und im Dienstleistungsgewerbe zeigen sich keine Anzeichen, die auf eine konjunkturelle Erholung hinweisen. Die im Landkreis recht starken Großhändler halten sich gut, agieren aber ebenfalls sehr vorsichtig. Auch die klassischen, stationären Einzelhändler erholen sich nicht vom Konjunktur-Einbruch der vergangenen Jahre. Die Verunsicherung belastet auch die Banken und Sparkassen sowie das Gastgewerbe und die Verkehrsbetriebe. Inflation, Energiepreise und viele staatliche Auflagen besorgen nicht nur die Unternehmen, sie schwächen auch die Nachfrage der privaten Verbraucher, die ohnehin durch die Geldentwertung deutlich gesunken ist.

Zentrale Konjunkturrisiken – hohe Arbeitslosigkeit ist nicht dabei

Ende April zählte die Agentur für Arbeit in Hanau 11.724 Arbeitslose. Darunter befanden sich auch 8.313 Personen aus dem Rechtkreis SGB II, die vom Kommunalen Center für Arbeit betreut werden. Sie haben oft mehrere Vermittlungshemmnisse und sind meist schwerer zu vermitteln als die von der Agentur betreuten Arbeitslosen, die maximal ein Jahr arbeitslos sind. Laut amtlicher Statistik existieren im Main-Kinzig-Kreis 141.631 Arbeitsplätze. Nehmen wir an, dass diese Arbeitsplätze gleichmäßig auf Menschen mit bis zu 45 Berufsjahren verteilt sind, dann gehen jedes Jahr 3.150 Menschen in Rente. Allein um diese zu ersetzen, müssten fast alle Kunden der Bundesagentur für Arbeit vermittelt werden – von neuen Jobs gar nicht zu reden. Ein schlichtes Gegenüberstellen dieser Zahlen verdeutlicht, dass ein klassischer Aufschwung mit vielen neuen Arbeitsplätzen schon am Fachkräftemangel scheitern wird. „Viel mehr Arbeitsplätze als heute wird es im Main-Kinzig-Kreis in den nächsten Jahren nicht geben. Das Risiko Fachkräftemangel würgt einen theoretisch möglichen Aufschwung regelrecht ab. Kein Wunder, dass 58,4 Prozent der Unternehmen dieses Risiko sehr hoch bewerten. Ohne Rationalisierungen und ohne Innovationen werden wir nicht mehr viel wachsen können“, analysiert Quidde.

Große Sorge bereitet den Unternehmen nach wie vor die Entwicklung der Rohstoff- und Energiepreise. „Das ist das größte Risiko“, so Quidde: „Die fehlende Planungssicherheit belastet zwei Drittel aller Unternehmen, in der Industrie sind es sogar fast drei Viertel. Die Unternehmen im Main-Kinzig-Kreis brauchen keine neuen Hilfsprogramme, sie brauchen keine Subventionen, sie brauchen Zuversicht, Sicherheit und Planbarkeit. Ich bin gespannt, ob diese Regierung das hinbekommt.“

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