Wirtschaftsjunioren: Bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Die Diskussionsteilnehmer/innen am Equal Care Day (von links): Heiko Kösling, Natasha Rohde, Ilona Veress-Schubert, Dr. Birgit Happel, Yvonne Backhaus-Arnold und Dr. med. Maria Haas-Weber. Bild: WJ

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Die Wirtschaftsjunioren Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern (WJ) richteten am Equal Care Day eine Diskussionsrunde aus, um die oft unbeachtete, aber unverzichtbare Sorgearbeit ins Rampenlicht zu rücken.



Die Veranstaltung fand am 29. Februar 2024 in der IHK Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern statt und bot Raum für rund 50 Unternehmer/innen, Führungskräfte und Interessierte, um über die Bedeutung von Care-Arbeit zu diskutieren. Der Equal Care Day, der seit 2016 jährlich begangen wird, zielt darauf ab, die weitgehend unbezahlte Sorgearbeit, darunter die Pflege von Angehörigen, Hausarbeit, Mental Load und Kinderbetreuung, sichtbar zu machen und die Verfügbarkeit von Unterstützung zu verbessern. Die Veranstaltung der Wirtschaftsjunioren bot eine Plattform, um über den Einfluss von Sorgearbeit auf die Wirtschaft zu sprechen und Lösungsansätze zu entwickeln.

Die Begrüßung erfolgte durch das Sprecherteam der Wirtschaftsjunioren Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern, Marielle Schäfer und Jan Jonas Kunz, gefolgt von einem Impulsvortrag von Dr. Birgit Happel. Sie setzt sich seit vielen Jahren für Finanzbildung und Gleichstellung ein und betonte in ihrem Vortrag die Wichtigkeit der Sorgearbeit für die Gesellschaft und die Wirtschaft. Sie verdeutlichte, dass Frauen täglich im Schnitt 1,5 Stunden mehr unbezahlte Sorgearbeit leisten als Männer. “Die Gesellschaft und die Wirtschaft profitieren maßgeblich von Care-Arbeit. Es ist an der Zeit, diese Arbeit angemessen zu honorieren und eine gerechtere Verteilung zu ermöglichen”, so Happel. Der Gender-Care-Gap sei im Moment bei 43,8%, das habe sich schon verbessert, aber die Rollenverteilung in der Familie sei oft noch sehr traditionell. „Unternehmen können da helfen. In Mütter- oder Väternetzwerken können sich Menschen austauschen und sich gegenseitig unterstützen. Mehr Vielfalt und Inklusion trägt zu einer besseren Unternehmenskultur bei. Außerdem performen gemischte Teams besser.”

Die nachfolgende Gesprächsrunde wurde moderiert von Yvonne Backhaus-Arnold, Redaktionsleiterin des HANAUER ANZEIGER, und bot Einblicke aus verschiedenen Perspektiven. Ilona Veress-Schubert, Kommunikations-Coach, betonte die Bedeutung einer offenen Kommunikation und einer unterstützenden Unternehmenskultur. Sie betont: „Kommunikation ist eins der wichtigsten Dinge im Unternehmertum. Wie spreche ich mit Mitarbeitenden? Spreche ich überhaupt mit ihnen? Es ist wichtig zu fragen, was gebraucht wird und wie man als Arbeitgeber unterstützen kann.” Und auch die innere Haltung sei wichtig: „Sehe ich als Arbeitgeber den Mitarbeitenden nur als Produktivitätsfaktor oder doch eher als Ressource, als Mensch? Sehe ich, wie wichtig Care-Arbeit für die Gesellschaft ist und kann das anerkennen? Wenn Arbeitgeber ihren Mitarbeitenden eine Plattform zur Kommunikation bieten und flexibel sind, dann danken es die Mitarbeitenden natürlich auch mit Flexibilität an anderer Stelle”, berichtet Veress-Schubert aus der Praxis.

Dr. med. Maria Haas-Weber, Hausärztin und Palliativmedizinerin, machte auf die Herausforderungen in der Pflege aufmerksam und betonte die Wichtigkeit von Strukturen, die zukunftsfähig sind: „Söhne und Töchter, die ihre Eltern in Betreuung geben müssen, sind von den Jahren zuvor, in denen zu Hause diese Sorgearbeit geleistet wurde, oft ausgebrannt, hilflos und verzweifelt. Wir müssen Sorgestrukturen etablieren, die auch in die Zukunft reichen. Und wenn ich an Carearbeit in der Pflege denke, dann muss ich sagen, dass es kein Pflegenotstand mehr ist, sondern eher eine Apokalypse. Der Fachkräftemangel ist hier besonders groß, es gibt viele Zeitarbeitskräfte. Das geht nicht mehr lange gut.”

Natasha Rohde, Unternehmerin und Mitglied der IHK-Vollversammlung, hob die Bedeutung von flexiblen Lösungen in Unternehmen hervor. Oft sei es so, dass ein Mann einer Frau bei der Besetzung einer Stelle vorgezogen wird, da die Frau Kinder hat oder noch bekommen wird. Und das sei oft schwierig zu stemmen. „Das ist bei uns nicht so. Wir sind stolz darauf, dass in unserem Unternehmen mit 25 Mitarbeitenden die Frauenquote sehr hoch ist. Das bedeutet, dass wir als Arbeitgeber flexibel sein müssen”, erklärt Rohde. „Denn wenn die Kinderbetreuung mal ausfällt oder das Kind krank wird, dann fällt automatisch die Mutter im Unternehmen als Arbeitskraft aus. Darüber muss man sich im klaren sein und auch klar kommunizieren, dass das auch okay so ist. Dafür flexible Lösungen zu finden ist wichtig und nützt am Ende allen.”

Heiko Kösling aus dem Bundesvorstand der Wirtschaftsjunioren Deutschland, selbst Unternehmer und Vater, sprach über die Bedeutung einer offenen Kommunikation und über flexible Arbeitszeitmodelle: “Wir haben einen Psychologen bei uns im Unternehmen, den die Mitarbeitenden ansprechen können. So können wir mit diesem Angebot unterstützen und helfen, Probleme zu lösen. Ich vertraue meinen Mitarbeitenden, dass sie ihre Arbeit und die Arbeitszeiten selbständig organisieren können. Und wenn jemand sein Kind ungeplant von der Kita abholen muss, dann soll er oder sie das bitte einfach machen. Das ist bei uns kein Problem”, so Kösling. Als Ressortleiter im Bundesvorstand der Wirtschaftsjunioren möchte er zusammen mit seinem Kompetenzteam zeigen, wie Unternehmen die Aufgaben rund um die moderne Arbeitswelt lösen. Zum Beispiel mit Unternehmensbesichtigungen, bei denen man sich etwas abschauen könne. „Außerdem schreiben wir gerade gemeinsam an einem Buch über die Zukunft der Arbeit, in dem wir positive Beispiele aus der Praxis festhalten wollen. Damit wollen wir zeigen, dass es funktioniert, wenn Unternehmen neue Wege gehen und sich über das Thema Zukunft der Arbeit Gedanken machen.”

Marielle Schäfer, Sprecherin der Wirtschaftsjunioren Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern, resümiert: „Die Diskussion verdeutlichte die vielfältigen Ansätze und Lösungen, die Unternehmen zur Entlastung von Care-Arbeitenden beitragen können. Sie zeigte auch auf, dass eine gerechtere Verteilung der Sorgearbeit nicht nur für die Arbeitnehmer/innen, sondern auch für die Unternehmen von Vorteil ist.” Die Veranstaltung zum Equal Care Day sei ein wichtiger Schritt, um das Bewusstsein für die Bedeutung von Care-Arbeit zu stärken und konkrete Maßnahmen zur Unterstützung zu diskutieren. „Als Wirtschaftsjunioren setzen wir uns unter anderem für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein. Daher war es uns wichtig, mit Unternehmer/innen und Führungskräften ins Gespräch zu kommen und wir möchten als Stimme der jungen Wirtschaft das Thema auch zukünftig aktiv voranbringen”, so Schäfer.

Mehr Informationen unter www.wj-hanau.de.

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Die Diskussionsteilnehmer/innen am Equal Care Day (von links): Heiko Kösling, Natasha Rohde, Ilona Veress-Schubert, Dr. Birgit Happel, Yvonne Backhaus-Arnold und Dr. med. Maria Haas-Weber. Bild: WJ


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